Das Urteil des BGH weicht von einer Reihe von Entscheidungen in anderen europäischen Jurisdiktionen ab, die in der pflichtteilsausschließenden Rechtswahl keinen ordre public Verstoß sahen.
a) Österreich
Mit Urt. v. 25.2.2021 verneinte der Oberste Gerichtshof (OGH) einen ordre public Verstoß in einem Fall, in dem die britische Erblasserin durch testamentarische Wahl ihres Heimatrechts Pflichtteilsansprüche ihrer Nachkommen ausgeschlossen hatte. Begründet wurde dies zum einen mit dem geringeren Stellenwert des Pflichtteilsrechts, das – anders als in Deutschland – im Rahmen der Eigentumsgarantie aus Art. 5 StGG auch nicht ausdrücklich genannt wird und einfachgesetzlich differenziert mit Entzugs-, Minderungs- und Stundungsmöglichkeiten ausgestaltet sei. Letztlich weise der konkrete Fall durch die Lage des betroffenen Vermögens in britischen trusts und der britischen Staatsangehörigkeit der Kläger auch einen nur sehr geringen Inlandsbezug auf. Ob ein stärkerer Inlandsbezug zu einem anderen Ergebnis führen würde, ließ das Gericht ausdrücklich offen.
b) Italien
Der italienische Kassationsgerichtshof entschied bereits im Jahr 1996, dass Pflichtteilsansprüche nicht vom ordre public erfasst sind. Auf die Erbfolge des kanadischen Erblassers fand dessen Heimatrecht Anwendung, durch das seine Tochter von einer Partizipation am Nachlass ausgeschlossen war. Das Gericht lehnte einen ordre public Verstoß insbesondere deshalb ab, da Art. 42 der italienischen Verfassung, welcher das Eigentum und das Erbrecht regelt, keinen Bezug auf die Pflichtteilsberechtigten nimmt, denen daher auch kein besonderer Schutz im Rahmen des ordre public zukäme.
c) Frankreich
Dass der Ausschluss von Pflichtteilsrechten nicht gegen den französischen ordre public verstoße, entschied auch der französische Kassationsgerichtshof mit zwei Urteilen vom 27.9.2017. In beiden Fällen unterfiel der jeweilige Nachlass nach den Vorgaben des französischen Internationalen Privatrechts kalifornischem Erbrecht, das einen Pflichtteil für die jeweils testamentarisch enterbten Kinder nicht vorsah. Der Kassationsgerichtshof begründete seine Ablehnung eines ordre public Verstoßes damit, dass die Pflichtteilsrechte durch das Reformgesetz vom 23.6.2006 sowie die EuErbVO (die auf die Erbfälle noch keine Anwendung fand), die einen Ausschluss von Pflichtteilsrechten durch Rechtswahl ermöglicht, an Bedeutung verloren hätten. Ein ordre public Verstoß komme außerdem nur ausnahmsweise infrage und nicht für die jeweils volljährigen und nicht wirtschaftlich bedürftigen Anspruchsinhaber.
Der französische Gesetzgeber hat daraufhin 2021 durch eine Änderung des Code Civil eine Umgehung des französischen Pflichtteilsrechts untersagt. Anwendungsbereich und Vereinbarkeit mit der EuErbVO sind allerdings äußerst umstritten.