I) Mehrere Vollmachten können miteinander in Konkurrenz stehen. Das ist offensichtlich. Gleiches gilt auch für mehrere Testamentsvollstreckungen über denselben Nachlass. Aufgrund zeitlich (zumindest teilweise) überschneidender Anwendungsbereiche können aber auch das Institut der Testamentsvollstreckung und der trans- bzw. postmortalen Vollmacht miteinander in Konkurrenz treten. Dieser Konflikt der Institute lässt sich wie folgt optisch aufbereiten:

Wie dieser Konflikt der Institute aufzulösen ist, war u.a. Gegenstand der vorstehend abgedruckten Entscheidung des BGH. Dabei gelten deren Grundsätze jedoch nur, wenn keine ausdrückliche Regelung durch den Vollmachtgeber bzw. Erblasser getroffen wurde.

II) § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG fordert den Notar auf, den Willen der Beteiligten zu erforschen, den Sachverhalt zu klären und v.a. die Erklärungen der Beteiligten "klar und unzweideutig" wiederzugeben. Bezogen auf das obige Konkurrenzverhältnis verlangt diese Norm, bei Beratung oder Beurkundung dieser Institute das Verhältnis möglichst ausdrücklich zu regeln. Dies gilt sowohl für die die Testamentsvollstreckung (i.d.R. sachlich oder zumindest zeitlich, Zeit zwischen Erbfall und Amtsannahme gem. § 2202 BGB) verstärkende sog. "Testamentsvollstreckervollmacht", d.h. die Vollmacht an eine Person, die zugleich Testamentsvollstrecker wird, wie auch für die Vollmacht, die an einen Dritten erteilt wird (hierzu: Becker, ZEV 2018, 692). Aus der Fülle der Regelungsmöglichkeiten bietet sich insbesondere die ausdrückliche Widerrufsmöglichkeit des Testamentsvollstreckers an, der auf diesem Weg – (neben) den Erben – die konkurrierende Vollmacht beseitigen könnte. Hierzu Folgendes:

Formulierungsbeispiel (aus Becker, ZEV 2018, 692, 694):

Zitat

"Der Testamentsvollstrecker ist auch zum Widerruf etwaiger durch den Erblasser erteilter trans- bzw. postmortaler Vollmachten ausdrücklich ermächtigt. Eventuell: Er hat diese zu widerrufen, wenn …"

Neben dieser (unechten, Widerruf durch den Testamentsvollstrecker) Widerrufslösung kommen auch eine (echte) Widerrufslösung (Widerruf durch den Erblasser zu dessen Lebzeiten), Amtsannahmelösung, Ressortlösung und Konkurrenzlösung mit Zustimmungserfordernissen zugunsten des Testamentsvollstreckers/des Vollmachtnehmers in Betracht (Becker, ZEV 2018, 692, 694 f.).

III) Findet sich keine (ausdrückliche) Regelung des Konflikts, wie insbesondere bei privatschriftlich erteilter Vollmacht und Testament (bzw. Testamentsvollstreckeranordnung) naheliegend, werden unterschiedliche Wege der Auflösung des Konflikts vertreten.

Zunächst wäre es möglich – unabhängig von der zeitlichen Reihenfolge der Erteilung bzw. Anordnung – von einem Nebeneinander von Vollmacht und Testamentsvollstreckung auszugehen. Diese Sichtweise dominiert wohl die Rechtsprechung (RGZ 88, 345; 106, 186; BGH NJW 1962, 1718; OLG Hamburg DNotZ 1967, 31; OLG München ZEV 2012, 376) und vermeidet Unsicherheiten in der Auslegung von Vollmacht bzw. Testamentsvollstreckungsanordnung anhand etwa der zeitlichen Abfolge oder der betroffenen Personen. Nach anderer Auffassung soll der Bevollmächtigte nur dann durch die Testamentsvollstreckung nicht eingeschränkt sein, wenn und soweit der Vollmacht der Wille des Erblassers entnommen werden kann, dass die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers eingeschränkt werden soll (vgl. § 2208 BGB, so z.B. Zimmermann in: MüKo-BGB/Zimmermann, Bd. 10, 7. Aufl. 2017, § 2211 Rn 13). Den generellen Vorrang des Testamentsvollstreckers begründet wiederum Reimann unter Hinweis darauf, dass dieser seine Rechtsmacht vom Erblasser, der Bevollmächtigte aber – nach dem Tod des Erblassers – von dem nach §§ 2205, 2211 BGB verfügungsbeschränkten Erben ableite (Staudinger/Reimann, BGB, Bearbeitung 2016, vor § 2197 Rn 80 und § 2211, Rn 12). Dies vernachlässigt jedoch, dass im Ergebnis beide Institute auf den Erblasser zurückzuführen sind.

1) Der BGH hatte im vorstehenden Beschluss (BGH, Beschl. v. 14.9.2022 – IV ZB 34/21, Rn 24 ff., zu finden auch unter becklink 2024893 und BeckRS 2022, 26271) über eine Rechtsbeschwerde zu entscheiden, deren Anlass der Streit um die Wirksamkeit einer Antragsrücknahme in einem Güterrechtsverfahren war. Dieses wurde ursprünglich von der später verstorbenen Erblasserin gegen ihren getrenntlebenden Ehegatten geführt. Die Erblasserin hatte am 31.1.2020 ihrer Enkelin eine (transmortale) General- und Vorsorgevollmacht erteilt. Die Enkelin wurde zudem mit Testament vom 11.2.2020 als Alleinerbin berufen, jedoch mit einer (Dauer-)Testamentsvollstreckung bis zur Vollendung deren 25. Lebensjahres beschwert und der Testamentsvollstreckerin mit Urkunde vom gleichen Tage postmortale Vollmacht erteilt. In einem späteren handschriftlichen Testament vom 22.2.2020 verfügte sie u.a., den Rechtsstreit fortführen zu lassen, und ordnete hierfür die Testamentsvollstreckung durch ihren Rechtsanwalt an. Für die von dieser Testamentsvollstreckung nicht betroffenen Bereiche sollte es dagegen bei der ursprünglich angeordneten Testamentsvollstr...

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