Leitsatz
(nicht amtlich)
1. Zum Wert der Beschwer bei Abweisung der ersten Stufe einer Stufenklage auf Rechnungslegung der Erbengemeinschaft gegen einen Bevollmächtigten.
2. Hat die ausgeurteilte Rechnungslegungsverpflichtung keinen vollstreckbaren Inhalt, erhöht sich die Rechtsmittelbeschwer des Beklagten um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten (vgl. Senatsbeschl. v. 28.1.2016 – III ZB 96/15, BeckRS 2016, Rn 9; BGH, Beschl. v. 10.2.2021 – XII ZB 376/20, NJW-RR 2021, 451 Rn 12 und BGH v. 3.7.2019 – XII ZB 116/19, NJW-RR 2019, 961, Rn 13).
3. Ein Vollstreckungstitel ist hinreichend bestimmt und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang seiner Leistungspflicht bezeichnet. Das Vollstreckungsorgan muss in der Lage sein, allein mit dem Titel ohne Verwertung der Gerichtsakten oder anderer Urkunden die Vollstreckung durchzuführen.
4. Der Zeitraum, auf den sich eine Auskunfts- und Rechnungslegungsverpflichtung bezieht, muss sich dabei – gegebenenfalls mittels Auslegung der tatbestandlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Titels – klar feststellen lassen (vgl. Senatsbeschl. v. 25.5.2023 – III ZB 57/22, BeckRS 2023, Rn 17).
5. Die vorzulegenden Belege sind so bestimmt zu benennen, dass sie im Fall der Zwangsvollstreckung vom Gerichtsvollzieher allein anhand des Titels aus den Unterlagen des Auskunftspflichtigen ausgesondert und dem Berechtigten übergeben werden können. Dazu ist es nicht nur erforderlich, dass im Titel die Art der vorzulegenden Belege bezeichnet ist, sondern auch der Zeitraum, auf den sich die Vorlageverpflichtung erstreckt (vgl. BGH, Beschl. v. 10.2.2021, a.a.O., Rn 15 und BGH v. 3.7.2019, a.a.O., Rn 14).
BGH, Beschl. v. 18.4.2024 – III ZB 72/23
1 Gründe
I.
Die Klägerin und der Beklagte zu 1) haben als Geschwister zusammen mit einer weiteren Schwester ihre im März 2013 verstorbene Mutter beerbt. Sie streiten auf der ersten Stufe einer Stufenklage um einen Anspruch der Erbengemeinschaft auf Rechnungslegung über den Bestand des Nachlasses.
Die Erblasserin erteilte dem Beklagten zu 1) am 23.10.2009 eine Vollmacht für alle ihre bestehenden und künftigen Konten und Depots bei der Stadtsparkasse Trier sowie im Januar 2011 eine nicht gemäß § 181 BGB beschränkte notarielle Generalvollmacht. Im Februar 2011 gründete der Beklagte zu 1) die Beklagte zu 2), deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist.
In den Jahren 2010 bis 2012 veranlasste der Beklagte zu 1) unter Nutzung seiner Bankvollmacht mehrere Überweisungen von einem Konto der Erblasserin an sich selbst, seine Kinder und die Beklagte zu 2 sowie zur Bezahlung einer Dachsanierung seines eigenen Hauses. Außerdem veräußerte er aufgrund seiner Generalvollmacht im Mai 2012 zwei seiner Mutter gehörende Grundstücke an die Beklagte zu 2. Das Eigentum an einem weiteren, zunächst ebenfalls zum Verkauf an die Beklagte zu 2) vorgesehenen Grundstück der Erblasserin erwarb er im Wege einer – mit sich selbst vereinbarten – notariellen Schenkung selbst.
Am 5.9.2017 verpflichtete sich der Beklagte zu 1) in einem im Erbscheinverfahren geschlossenen Teilvergleich unter anderem, das Konto bei der Sparkasse aufzulösen und das Guthaben auf ein zu errichtendes Erbengemeinschaftskonto zu überweisen sowie die Generalvollmacht nicht mehr zu verwenden. Mit Schreiben vom 25.9.2017 bestätigte die Urkundsnotarin, dass der Beklagte zu 1) die ihm erteilte Ausfertigung der Vollmachtsurkunde zurückgegeben habe.
Auf die am 18.1.2021 zugestellte Klage hat das LG den Beklagten zu 1) mit am 18.11.2022 verkündetem Teilurteil antragsgemäß "für den Zeitraum vom 23.10.2009 bis zur Rechtshängigkeit sowie fortlaufend" unter Vorlage von Belegen zur Rechnungslegung verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2) richtete.
Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten zu 1) hat das OLG nach entsprechendem Hinweis vom 5.5.2023 durch Teilbeschluss vom 9.8.2023 mit der Begründung als unzulässig verworfen, der Wert der Beschwer übersteige 600 EUR nicht.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1).
II.
Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 S. 4 ZPO ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthafte (vgl. Senatsbeschl. v. 8.9.2011 – III ZR 259/10, FamRZ 2011, 1792, Rn 5) sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Beklagten zu 1) (im Folgenden nur noch: Beklagter) in seinem aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz, welches den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise ...