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Eine klare und umfassende Vorsorge- und Nachfolgeplanung erfordert eine optimale Abstimmung von Vorsorgevollmacht und Testamentsvollstreckung. Im folgenden Beitrag, basierend auf einem Vortrag des Autors bei der Jahrestagung des VorsorgeAnwalt e.V. in Leipzig am 12.4. 2024, werden gesetzliche Anforderungen und praktische Schnittstellen beider Rechtsinstitute beleuchtet, die ihre effektive Verknüpfung in der Praxis unterstützen. Zudem werden Gestaltungsoptionen vorgestellt, die eine konfliktfreie Nachlassabwicklung erleichtern und der gewünschten Erbfolge des Erblassers mehr Stabilität gegenüber potenziellen Angriffen von Interessierten verleihen können. Eine Zusammenstellung von Orientierungssätzen aus der Rechtsprechung zu speziellen Einzelfragen schließt den Beitrag ab.
I. Ausgangspunkt und Relevanz
"Transmortale Überraschungen einer Vorsorgevollmacht" titelte ein jüngst erschienener Aufsatz. Überraschungen kann es eigentlich nur geben, wenn eine Situation nicht ausreichend bekannt und vorbereitet ist. Die klassische Juristenausbildung spielt solchen Überraschungen im Bereich von Vorsorgevollmachten und Testamentsvollstreckung in die Hände. Sowohl im Familienrecht als auch im Erbrecht müssen die Kandidaten für die erste juristische Staatsprüfung lediglich Grundzüge beherrschen, Vorsorgerecht und erst recht die Testamentsvollstreckung sind sogar ausgeschlossen. Hinzukommt, dass das eine Rechtsgebiet dem Familienrecht und das andere Rechtsgebiet dem Erbrecht zugeordnet ist und sich die klassische Juristenausbildung an Rechtsgebieten und nicht an Lebenssachverhalten orientiert. Die Fachanwaltsordnung der Rechtsanwälte folgt diesem Ansatz und hat mit dem Familienrecht einerseits und dem Erbrecht andererseits zwei eigene Fachanwaltsbezeichnungen geschaffen. Darüber hinaus besteht weder im Vorsorgerecht noch im Recht der Testamentsvollstreckung ein ausdrücklicher Vorbehalt für die rechtsberatenden Berufe. Für die Testamentsvollstreckung hat sich schon vor über 20 Jahren die Auffassung durchgesetzt, dass sie von jedermann geschäftsmäßig betrieben werden darf. Für die Vorsorgebevollmächtigung ist diese Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Beinhaltet die Tätigkeit eines trans- oder postmortal Bevollmächtigten auch Rechtsdienstleistungen i.S.d. § 2 Abs. 1 RDG, so sind diese nur dann erlaubt, wenn sie im Zusammenhang mit der Testamentsvollstreckung stehen, § 5 Abs. 2 Nr. 1 RDG, oder als Nebenleistung zu einer anderen erlaubten Tätigkeit i.S.d. § 5 Abs. 1 RDG erbracht werden. So ist Weiler zuzustimmen, die in ihrer Dissertation erläutert, dass dieser Zusammenhang beispielsweise bei der Testamentsvollstreckung nur dann bestehe, wenn die Tätigkeit als Bevollmächtigter zum Berufsbild des Testamentsvollstreckers gehöre. Das RDG sei jedoch an dieser Stelle bewusst entwicklungsoffen formuliert und könne sich somit an Veränderungen des Berufsbilds des Testamentsvollstreckers anpassen. Betrachtet man die aktuellen kautelarjuristischen Empfehlungen und die Entwicklungen im Bereich der Vermögenschadenhaftpflichtversicherung, dann wird man davon ausgehen können, dass dieser Punkt bereits erreicht ist. Rechtsdienstleistungen, die ein Testamentsvollstreckers erbringt, verstoßen daher unabhängig davon, ob er sie in seinem eigentlichen Amt oder aufgrund einer Vollmacht erbringt, nicht gegen das RDG.
Fehlt es an Vorgaben des Gesetzgebers für eine persönliche und fachliche Eignung für eine Tätigkeit, wird zumindest suggeriert, dass diese Tätigkeit nicht besonders anspruchsvoll ist und daher von jedermann ausgeübt werden kann. Es tritt hinzu, dass die Anordnungen ohne besondere Formvorschriften – bei Vorsorgevollmachten sogar durch bloßes Ankreuzen eines aus häufig zweifelhaften Quellen unentgeltlich heruntergeladenen Formulars – getroffen werden können. Hierdurch kann eine gefährliche Gemengelage entstehen, die in ihrer Konsequenz den Betroffenen und ihren Angehörigen mehr schadet als hilft. Dagegen sind Vorsorge- und Nachfolgegestaltungen, wenn sie aufeinander abgestimmt sind, hochpräzise Instrumentarien, mit deren Hilfe – ein Rad in das andere greifend – sowohl lebzeitige als auch postmortale Krisensituationen optimal bewältigt werden können, auch wenn die Rechtsinstitute für unterschiedliche Zwecke entwickelt wurden und sich in ihrer Funktionsweise unterscheiden. An dieser Stelle ist nicht der Raum für eine umfassende Darstellung der Unterschiede beider Rechtsinstitute. Insoweit sei auf die vielfältige Spezialliteratur verwiesen. Vielmehr sollen praktische Schnittstellen und sich daraus ergebende Synergien für die Beteiligten aufgezeigt werden, die sich aus der Kombination beider Rechtsinstitute ergeben.