I.
Der in dritter Ehe verheiratete Erblasser ist am … 2022 verstorben. Er betrieb ein Restaurant der Spitzengastronomie samt Hotel. Aus der Ehe mit seiner ersten Ehefrau gingen der Beteiligte zu 1 und ein weiterer vorverstorbener Sohn hervor, aus der Ehe mit der zweiten Ehefrau der Beteiligte zu 2 (= Beschwerdeführer). Die dritte Ehe des Erblassers blieb kinderlos.
Der Erblasser errichtete am 19.10.2016 ein mehrseitiges handschriftliches Testament, in dem er den Beteiligten zu 1 und den Beschwerdeführer als Erben zu je ½ einsetzte. Auf der letzten Seite dieses Testaments verfügte der Erblasser:
Zitat
"Sollte mein Sohn A. [= der Beteiligte zu 1] seine Lebensgefährtin … [C. L.] heiraten, wird er enterbt."
Es existieren drei Versionen des auf den 19.10.2016 datierenden handschriftlichen Testaments, die sich insbesondere bezüglich von Verfügungen die dritte Ehefrau des Erblassers betreffend unterscheiden. Hinsichtlich der zitierten Klausel sind die Testamente identisch. Der kinderlose Beteiligte zu 1 heiratete am … 2018 die im vorstehenden Testament genannte C. L., mit der er seitdem verheiratet ist.
Am 17.1.2023 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Alleinerbscheins. Er ist der Ansicht, durch die Heirat des’Beteiligten zu 1 sei die Bedingung im Testament vom 19.10.2016 eingetreten und der Beteiligte zu 1 enterbt worden. Dem ist der Beteiligte zu 1 entgegengetreten. Er ist der Ansicht, es handele sich insoweit um eine sittenwidrige Bedingung.
Das Nachlassgericht ist der Argumentation des Beteiligten zu 1 gefolgt und hat den Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers mit Beschl. v. 1.6.2023 zurückgewiesen. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde vom 20.6.2023 hat das Nachlassgericht mündlich verhandelt und den Beteiligten zu 1 angehört. Mit Beschl. v. 27.11.2023, der Geschäftsstelle übergeben am 30.11.2022, hat es der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für die Erteilung des vom Beschwerdeführer beantragten Alleinerbscheins liegen vor. Das Nachlassgericht war deshalb anzuweisen (§ 2353 BGB), den beantragten Erbschein zu erteilen.
1. Der Senat kann sogleich in der Sache entscheiden, obgleich das Abhilfeverfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, da das Erstgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers in dessen Schriftsatz vom 28.11.2023 vor Erlass der Abhilfeentscheidung am 30.11.2023 nicht berücksichtigt und damit dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.
a) Die Nachlassrichterin hat die Abhilfeentscheidung bereits am 27.11.2023 unterschrieben. Die gerichtliche Entscheidungsfindung endet aber erst mit dem Erlass des Beschlusses; erst zu diesem Zeitpunkt wird dieser als Rechtsprechungsakt existent. Bis zum Zeitpunkt des Erlasses befindet sich der Beschluss nur im Entwurfsstadium und kann daher vom Gericht noch abgeändert werden (BGH, Beschl. v. 4.7.2018 – XII ZB 240/17, NJW 2018, 3786). Nach § 38 Abs. 3 FamFG ist die nicht verkündete Nichtabhilfeentscheidung (erst) mit der Übergabe des unterzeichneten Beschlusses an die Geschäftsstelle erlassen. Daher sind in Nachlasssachen Schriftsätze, die bis zu diesem Zeitpunkt eingehen, grundsätzlich bei der Nichtabhilfeentscheidung noch zu berücksichtigen. Dies gilt selbst dann, wenn die Entscheidung im Zeitpunkt des Eingangs des Schriftsatzes vom Nachlassrichter bereits unterzeichnet, aber noch nicht an die Geschäftsstelle übergeben worden ist. Bleibt schriftsätzliches Vorbringen, das vor Erlass der Entscheidung i.S.v. § 38 Abs. 3 FamFG eingegangen ist, unberücksichtigt, wird der Verfahrensbeteiligte in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) auch dann verletzt, wenn dem Richter der Schriftsatz nicht mehr rechtzeitig vorgelegt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 15.7.2015 – XII ZB 525/14, NJW-RR 2015, 1090).
b) Eine Aufhebung der Nichtabhilfeentscheidung und Rückgabe der Akten an das Nachlassgericht konnte gleichwohl unterbleiben, weil die Sache entscheidungsreif ist und der mit der unterbleibenden Rückgabe der Akten an das Nachlassgericht einhergehende Verlust einer Instanz angesichts der Entscheidungsreife der Sache nicht erheblich ins Gewicht fällt, zumal eine Beweisaufnahme nicht durchzuführen war.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Zu Unrecht hat das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Beschwerdeführers vom 17.1.2023 zurückgewiesen. Es war daher, da der Senat den beantragten Erbschein selbst nicht erteilen kann, zu seiner Erteilung anzuweisen (§ 2353 BGB).
Der Senat teilt nicht die Ansicht des Nachlassgerichts, dass die Enterbung des Beteiligten zu 1 sittenwidrig m Sinne des § 138 Abs. 1 BGB und dieser im Ergebnis als Miterbe zu ½ berufen ist. Für die Annahme von Sittenwidrigkeit ist im vorliegenden Fall kein Raum (sogleich unter a)). Selbst wenn man aber zu einer Sittenwidrigkeit der konkreten Bedingung käme, wäre der Beteiligte zu 1 in der Folge nicht als Erbe berufen (sogleich unter b)).