Leitsatz
Die Sicherstellung von Erbscheinsausfertigungen ist eine von § 49 Abs. 1, Abs. 2 FamFG gedeckte vorläufige Maßnahme und das typische Instrument zum Schutz der Rechte des potenziellen wirklichen Erben im Verfahren der Erbscheinseinziehung (Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG 2. Aufl. 2010, § 49 FamFG Rn 61; Fröhler in: Prütting/Helms, FamFG 2009, § 353 FamFG Rn 11; Graf, Nachlassrecht 9. Aufl. 2008, Rn 4.494).
Saarländisches OLG, Beschluss vom 7. November 2011 – 5 w 239/11-106
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin ist die Schwester des Erblassers. Der Erblasser war verwitwet. Aus der Ehe waren keine Kinder hervorgegangen. Seine Eltern waren vorverstorben, außer der Beschwerdeführerin hatte er keine Geschwister. Verfügungen von Todes wegen hatte er nicht getroffen.
Die Beschwerdeführerin beantragte mit notariellem Schreiben vom 14.4.2011 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin aufgrund gesetzlicher Erbfolge ausweisen sollte. Der Erbschein wurde am 10.6.2011 erteilt (Bl 15 dA).
Am 17.8.2011 erschien die frühere gerichtlich bestellte Betreuerin des Erblassers, Frau A. M., bei dem Rechtspfleger beim Amtsgericht Saarlouis und erklärte, es sei denkbar, dass der Erblasser der leibliche Vater eines Herrn F. Sch. gewesen sei. Sie wisse von der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers, dass dieser gemeinsam mit der Mutter des F. Sch. jahrelang in Urlaub gefahren sei. Außerdem habe ihr eine entfernte Verwandte des Erblassers mitgeteilt, dieser und Frau Sch. hätten eine Liebesbeziehung unterhalten. Frau M. legte verschiedene Schriftstücke vor: eine vom 30.3.1976 datierende "Vorladung zur Entnahme einer Blutprobe" in Sachen "M. gegen M. wegen Vaterschaft, Aktenzeichen 4 C 134/75" (Amtsgericht Saarbrücken), ein Schreiben der Frau S. Sch. vom 15.4.1982 ("Sollten mein Mann und ich […] nicht mehr in der Lage sein, für unseren Sohn, F. Sch., zu sorgen, bitte ich Herrn M. M. […] Elternpflichten und -rechte wahrzunehmen", Bl 21 dA) sowie einen in Französisch verfassten Brief der Frau S. Sch. an den Erblasser, aus dem sich ergibt, dass man einen gemeinsamen Urlaub verbracht hatte (Bl 22 dA).
Der Rechtspfleger beim Amtsgericht Saarlouis ordnete mit Beschluss vom 18.8.2011 an, die der Beschwerdeführerin erteilten Ausfertigungen des Erbscheins vom 10.6.2011 sollten einstweilen sichergestellt werden. Zur Begründung war ausgeführt, es seien Umstände bekannt geworden, die darauf hindeuteten, der Erblasser könne Vater eines nicht ehelichen Kindes gewesen sein. Da die Ermittlungen des Nachlassgerichts erst begonnen hätten, solle die Sicherstellung verhindern, dass durch die Benutzung der Ausfertigungen des möglicherweise unrichtigen Erbscheins schädliche Wirkungen einträten (Bl 23 dA).
Die Beschwerdeführerin hat den am 24.8.2011 zugestellten Beschluss am 29.8.2011 angefochten (Bl 30 dA). Sie beantragt, die Sicherstellung des Erbscheins aufzuheben. Nach ihrer Ansicht wäre eine vorläufig sichernde Maßnahme nur dann zulässig, wenn die Einziehung des Erbscheins zumindest nahe liege. Das sei hier nicht der Fall. Die Beschwerdeführerin sieht keine Tatsachen, die eine Vaterschaft des Erblassers vermuten ließen und bestreitet eine Liebesbeziehung zwischen dem Erblasser und Frau Sch. Sie macht darauf aufmerksam, dass die Vorladung zur Entnahme einer Blutprobe eine Angelegenheit "M. gegen M." und nicht eine Angelegenheit "Sch. gegen M." betroffen habe (Bl 37 dA). Die Beschwerdeführerin trägt vor, ihr sei auf telefonische Rückfrage bestätigt worden, dass die Eheleute Sch. keinen Zweifel an der Ehelichkeit des Sohnes hegten. Der Erblasser und Frau Sch. hätten sich erst 1966 – mithin nach der Geburt des Herrn F. Sch. – kennen gelernt. Keiner der Beteiligten beabsichtige, ein Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft einzuleiten, und es sei nicht ersichtlich, mit welchen Ermittlungen das Amtsgericht Saarlouis eine Verwandtschaft des F. Sch. zum Erblasser nachweisen wolle (Bl 38 dA).
Die vom Amtsgericht Saarlouis angeforderte Akte 4 C 135/75 des Amtsgerichts Saarbrücken konnte bislang nicht beigezogen werden.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 18.10.2011, Bl 40 dA) mit der Begründung, der Erblasser sei Beteiligter eines Verfahrens zur Feststellung der Vaterschaft gewesen – wenn auch wahrscheinlich nicht in Bezug auf Herrn F. Sch. – und der Erbschein wäre unrichtig, sollte der Erblasser ein nicht eheliches Kind gehabt haben. Die Akte zur Vaterschaftsfeststellung (Amtsgericht Saarbrücken 4 C 135/75) sei dort trotz intensiver Suche nicht auffindbar gewesen, und es müsse möglicherweise versucht werden, sie zu rekonstruieren (Bl 41 dA).
Aus den Gründen
1. Die Beschwerde gegen die vorläufige Sicherstellung der Erbscheinsausfertigungen im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 49 Abs. 1, Abs. 2 FamFG ist gemäß § 58 FamFG statthaft. Die Beschwerdeführerin ist als im Erbschein ausgewiesene Alleinerbin durch den Beschluss in ihren Rechten beeinträchtigt und deshalb beschwerdeberechtigt im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG. Die zweiwöchige Beschwerdefrist des § 63 Abs. 2 FamFG wur...