Simone Schönberger
Verlag Ernst und Werner Gieseking, Bielefeld 2011, 221 Seiten, 64 EUR
Die Dissertation untersucht die Grundlagen des postmortalen Persönlichkeitsrechts. Die Schwierigkeit dieser Aufgabe besteht darin, dass es zu dieser Frage nur wenige gesetzliche Ansatzpunkte gibt. Unabhängig davon, ob man das postmortale Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 I GG oder aus Art. 2 I GG iVm Art. 1 I GG ableiten möchte, enthalten beide Vorschriften aus der Sicht eines unbefangenen Lesers keine Aussagen zu diesem Thema. Die Autorin gelangt daher auch zu dem Ergebnis, dass sich aus dem Verfassungsrecht kein postmortales subjektives Persönlichkeitsrecht konstruieren lasse. Es bestehe jedoch eine objektiv-rechtliche Schutzpflicht des Staates (S. 86). Interessant ist der Vergleich von Verstorbenen mit Tieren und Pflanzen, die schutzwürdig seien, denen aber ebenfalls kein subjektives Recht zuerkannt werden könne (S. 76).
Weiterhin gelangt die Autorin zu dem Ergebnis, dass sich ein postmortales Persönlichkeitsrecht auch nicht auf der Grundlage des geltenden Zivilrechts begründen lasse. Zum einen stehe der verstorbene Erblasser mangels Rechtsfähigkeit nicht mehr als Träger des postmortalen Persönlichkeitsrechts zur Verfügung (S. 17). Zum anderen seien die ideellen Teile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich (S. 9). Weiterhin lasse sich nicht stimmig dogmatisch begründen, wieso die Angehörigen des Erblassers zur Verfolgung von Verletzungen des postmortalen Persönlichkeitsrechts befugt sein sollen (S. 27). Die Autorin weist darauf hin, dass die Rechtsprechung vermögenswerte Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als vererblich angesehen hat, lehnt diese Entwicklung jedoch ab (S. 154).
Als Gegenkonzept zu einem postmortalen Persönlichkeitsrecht des Erblassers schlägt die Autorin vor, die Fälle über das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Angehörigen zu lösen (S. 61). Hierzu bedient sie sich eines rechtsvergleichenden Blickes in die Schweiz. Die Autorin stößt jedoch auch mit diesem Konzept auf Probleme, etwa wenn der Erblasser ohne Angehörige verstirbt. Weiterhin lässt sich schwer begründen, warum das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Angehörigen erst ab dem Tod des Erblassers verletzt sein soll. Konsequenterweise müssten die Angehörigen auch dann vorgehen können, wenn sie sich etwa durch eine schwere Ehrverletzung gegen ein lebendes Familienmitglied gekränkt sehen.
Die Autorin möchte mit ihrem Gegenkonzept scheinbar nicht zu anderen Ergebnissen gelangen als die bisherige Rechtsprechung. Es entsteht der Eindruck, dass es im Bereich des postmortalen Persönlichkeitsschutzes nur darum geht, die überwiegende Moralanschauung in eine rechtliche Pflicht zu übersetzen (S. 83). Es wird darüber gestritten, wie sich das Gewollte rechtlich begründen lässt. Es wird jedoch nicht hinterfragt, ob sich die Ergebnisse rechtssicher aus einem allgemeingültigen Rechtssatz ableiten lassen. Damit wird die juristische Methodik auf den Kopf gestellt.
In der zweiten Hälfte des Werkes wendet sich die Autorin einzelnen Ausprägungen des postmortalen Persönlichkeitsschutzes zu. Zu nennen sind die Totenfürsorge, der Schutz der persönlichen Ehre nach dem Tod, der Schutz vor Kommerzialisierung, die Organspende und Obduktion und die ärztliche Schweigepflicht. Zu den vermögenswerten Bestandteilen des postmortalen Persönlichkeitsrechts bestehe ein doppeltes Einwilligungserfordernis (S. 142). Rechtsinhaber der vererblichen vermögenswerten Bestandteile seien allein die Erben. Zusätzlich müssten jedoch die Angehörigen des Erblassers zustimmen, damit eine Verwertung überhaupt zulässig sei. Den Angehörigen obliege insofern der Schutz des ideellen Teils des postmortalen Persönlichkeitsrechts. Für das Recht am eigenen Bild verweist die Autorin auf § 22 S. 3 KunstUrhG. Die Autorin wendet diese Vorschrift nicht auf die Verwertung anderer persönlicher Merkmale des Erblassers an, diskutiert aber nicht, ob eine analoge Anwendung in Betracht kommt.
Die Autorin spricht sich im Bereich der Organspende und Obduktion für eine erweiterte Widerspruchslösung aus. Damit möchte sie all diejenigen Fälle erfassen, in denen der Erblasser und dessen Angehörige nicht rechtzeitig widersprechen. Hierzu schlägt sie vor, dass Krankenhäuser eine entsprechende Klausel in ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen aufnehmen (S. 195). Die Autorin sieht, dass eine solche Klausel als überraschend im Sinne von § 305 c BGB angesehen werden könnte, und schlägt deshalb vor, die Klausel in Fettdruck zu setzen. Der Unterschied zur derzeitigen Rechtslage bestehe darin, dass derzeit im Falle des Schweigens die Obduktion oder Organentnahme ohne die Klausel unzulässig sei. Die Notwendigkeit der Zulässigkeit der Obduktion oder Organentnahme in den Fällen des Schweigens begründet die Autorin mit den "Prinzipien eines gesellschaftlichen Zusammenlebens": "Würde ein jeder nur nach seinem eigenen Nutzen und Gewinn handeln, wäre Gesellschaft und vor allem jedweder Fortschritt unmöglich" (S. 197)...