Der Begriffsdefinition einer "Verfügung von Todes wegen" als "ein Testament, ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag" lässt sich auf den ersten Blick die am Wortlaut ("oder") orientierte Schlussfolgerung entnehmen, dass sich ein gemeinschaftliches Testament und ein Erbvertrag auch im Verordnungssinn gegenseitig ausschließen.
Dieser Gedanke ist bei näherer Betrachtung aber nicht aufrechtzuerhalten: Die Verordnung verwendet in dem vorangehenden Buchstaben b) des Art. 3 Abs. 1 nämlich den dem deutschen Erbrecht unbekannten Begriff der "gegenseitigen Testamente", die eine Vereinbarung enthalten können, die dieser Buchstabe b) als Erbvertrag bezeichnet. Da sie in Buchstabe d), der Definition der Verfügung von Todes wegen, nicht ausdrücklich erwähnt werden, aber unzweifelhaft Verfügungen von Todes wegen sind, müssen sie entweder Erbverträge oder Testamente im Verordnungssinn darstellen. Anderenfalls wäre die Definition in Art. 3 Abs. 1 lit. d) fehlerhaft. Hier hilft der Blick auf Art. 3 Abs. 1 lit. b): Er beschreibt den Begriff "Erbvertrag" als eine "Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente": Wie diese Beschreibung offenbart, kann sich aus einem Testament ein Erbvertrag ergeben, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, also insbesondere eine Vereinbarung zu Rechten an einem künftigen Nachlass. Wenn aber ein Testament die Grundlage für einen Erbvertrag im Verordnungssinn bilden kann, aber nicht muss, dann hatte der Verordnungsgeber offensichtlich die Vorstellung, dass bestimmte Testamente in einem Fall als Erbverträge nach Art. 25 EuErbVO, im anderen aber nach Art. 24 EuErbVO zu behandeln sind, je nach dem, ob in ihnen eine den Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. b) EuErbVO genügende Vereinbarung enthalten ist oder nicht. Hieraus folgt zweierlei:
Erstens schließen sich entgegen dem Anschein des Art. 3 Abs. 1 lit. d) EuErbVO die Begriffe Testament und Erbvertrag im Verordnungssinn nicht aus. Ein Erbvertrag im Sinne der EuErbVO kann sich also auch aus einem Testament ergeben und ein Testament mithin in den Anwendungsbereich des Art. 25 EuErbVO fallen.
Zweitens liegt dem Art. 3 Abs. 1 lit. b) EuErbVO ein materielles, nicht ein formelles Verständnis zugrunde: Anders als Art. 3 Abs. 1 lit. c) EuErbVO, der ein "gemeinschaftliches Testament" rein formal definiert als ein Testament mehrerer Personen in einer Urkunde, beschreibt Art. 3 Abs. 1 lit. b) den Erbvertrag als eine "Vereinbarung" zu Rechten "am künftigen Nachlass" und löst sich dabei gerade von der Form, indem ausdrücklich die Testamentsform als zulässige Grundlage eines Erbvertrags erwähnt wird: Wenn die EuErbVO anordnet, dass ein Erbvertrag auf einem Testament beruhen kann, so zeigt sich ein materielles, nicht ein formales Begriffsverständnis. Oder anders gewendet: Mit dem Begriff "Erbvertrag" bezeichnet die EuErbVO nicht den Vertrag als Gegensatzbegriff zum Testament, sondern die in die Vereinbarung mündende übereinstimmende Willenserklärung. Anders als im deutschen Recht, wo der Begriff des Erbvertrags auch formal definiert ist, gilt die EuErbVO in einem Europa, dessen Mitgliedstaaten in der Mehrzahl Erbverträge im deutsch-rechtlichen Sinn gar nicht kennen. Dementsprechend ist es nur eine sprachliche Zufälligkeit, dass in der deutschen Sprachfassung die Überschrift des Art. 25 EuErbVO mit der Überschrift von Buch 5 des BGB, 8. Titel 4. Abschnitt (vor § 2274) vergleichbar Erbverträge (statt Erbvertrag im BGB) lautet. Dies verdeutlicht der Blick auf die englisches Sprachfassung: Während der Erbvertrag im Sinne des BGB üblicherweise im Englischen als "contract of inheritance" oder als "inheritance contract" übersetzt wird, formuliert die EuErbVO viel untechnischer: "agreement as to succession". Für englische Praktiker dürfte es daher auch nicht zweifelhaft sein, dass ein wechselbezügliches gemeinschaftliches Testament ein "agreement as to succession" im Sinne der EuErbVO darstellt.