Was ergibt sich hieraus nun für Testamente? Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 lit. b) EuErbVO ist hinsichtlich der formal zugelassenen Gestaltungsmittel nicht abschließend, denn er formuliert nur offen, dass Erbverträge im Verordnungssinn Vereinbarungen, einschließlich solcher aufgrund gegenseitiger Testamente, darstellen. Interessanterweise ist in der Definition des Art. 3 Abs. 1 lit. b) der Erbvertrag im deutschrechtlichen Sinn nicht einmal erwähnt, denn in Buchstabe b) wird gerade nicht ausdrücklich angeordnet, dass die geforderte Vereinbarung über Rechte an einem künftigen Nachlass auch in Vertragsform zugelassen wird. Da es keinen Grund gibt, daran zu zweifeln, dass Erbverträge (im Englischen "agreements as to succession") im Verordnungssinn auch in Vertragsform ("contract") geschlossen werden können, bestätigt dies den beispielhaften und nicht abschließenden Charakter der Beschreibung des Art. 3 Abs. 1 lit. b) EuErbVO: Wer einen Erbvertrag im Verordnungssinn schließen will, kann dies in der Form der dort ausdrücklich erwähnten gegenseitigen Testamente tun oder auf eine nicht ausdrücklich erwähnte Form, etwa einen Vertrag oder ein sonstwie gestaltetes Testament, zurückgreifen.
Es besteht hiernach keine Notwendigkeit für die deutsche Gestaltungspraxis, den Bedeutungsgehalt des Begriffs des gegenseitigen Testaments von demjenigen etwa des gemeinschaftlichen Testaments abzugrenzen. Auch die Verwendung der Pluralform ("aufgrund gegenseitiger Testamente") in Art. 3 Abs. 1 lit. b) EuErbVO muss nicht zur Testamentserrichtung in mehreren Urkunden nötigen, um die Behandlung als gemeinschaftliches Testament zu vermeiden: Art. 3 Abs. 1 lit. c) EuErbVO enthält nur einen beispielhaften und nicht abschließenden Hinweis auf eine von mehreren für Erbverträge mögliche Gestaltungsformen. Maßgeblich und abschließend sind die materiellen Definitionselemente der Vereinbarung über Rechte an einem oder mehreren künftigen Nachlässen.
Wer dies anders sehen will, mag dem Gegenseitigkeitsbegriff mehrere inhaltliche Anforderungen entnehmen: Schon begrifflich kann ein Testament nur dann gegenseitig sein, wenn mindestens zwei künftige Erblasser beteiligt sind, also Regelungen zu mindestens zwei künftigen Nachlässen getroffen werden. Sämtliche Rechtsordnungen, die gegenseitige Testamente kennen, bezeichnen darüber hinaus hiermit nur Verfügungen, durch die sich mindestens zwei Testierende, nicht notwendig Eheleute, gegenseitig als Begünstigte bedenken. Damit ist noch nichts über die Art der Begünstigung als Erb- oder Vermächtniseinsetzung gesagt, zumal diese Unterscheidung einigen ausländischen Rechtsordnungen, insbesondere im common law, fremd ist. Es ist kein Grund erkennbar, warum im Rahmen des deutschen Rechts eine Einsetzung zum Vermächtnisnehmer nicht ausreichen sollte. Wenn sich Eheleute oder eingetragene Lebenspartner zumindest durch Vermächtnisse (auch) gegenseitig bedenken, wird ihr Testament dadurch zum gegenseitigen Testament im Verordnungssinn und vom Wortlaut gesichert der Anwendungsbereich des Art. 25 EuErbVO eröffnet, wenn die weiteren Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 1 lit. b) EuErbVO erfüllt sind.