Dass die Sprachverwirrung über die EuErbVO nicht stets ihre Ursache in der Formulierung des Verordnungstextes, sondern gerade auch im Vorverständnis des jeweiligen Rechtsanwenders hat, offenbart ein Blick auf das Problemfeld der Auslandsimmobilien: Ein deutscher Praktiker, der die wesentlichen Stichwörter des Art. 30 EuErbVO ("Besondere Regelungen im Recht eines Staates, in dem sich bestimmte unbewegliche Sachen… befinden" und "finden auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen Anwendung") liest, wird sich an Art. 3 a Abs. 2 EGBGB erinnert fühlen, der eine Verdrängung des erbrechtlichen Gesamtstatuts zugunsten "besonderer Vorschriften" des nationalen Belegenheitsrechts als Einzelstatut vorsieht. In der Praxis werden gerne die Beispiele der englischen oder französischen Ferienimmobilie eines Deutschen genannt, die nach Art. 3 a Abs. 2 EGBGB und entgegen Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach englischem bzw. französischen Erbrecht vererbt werden, weil das französische Recht ebenso wie die anglo-amerikanischen Rechtsordnungen des common law die Erbfolge in Immobilien dem Erbrecht ihres jeweiligen Belegenheitsstaats unterwerfen, wodurch es zur Nachlassspaltung kommt. Bisher konnte diese Regelung durch den Erwerb einer Immobilie etwa in England zur Reduzierung des deutschen Pflichtteils genutzt werden.
Art. 30 EuErbVO ordnet nur scheinbar Entsprechendes auch für die Zukunft an. Nach diesem Artikel sollen die "besonderen Regelungen" im Recht des Belegenheitsstaats nur beachtlich sein, "soweit sie nach dem Recht dieses Staats unabhängig von dem auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendenden Recht anzuwenden sind." Damit ist nicht gemeint, dass besondere Regelungen unabhängig vom Gesamtstatut gelten sollen. Vielmehr werden Vorschriften ausgeschlossen, die generell für den Erbfall gelten, wie Erwägungsgrund 54 aE verdeutlicht. Danach dürfen Vorschriften, die unbewegliche Sachen einem anderen Erbrecht als bewegliche Sachen unterwerfen, gerade nicht angewandt werden. Damit scheidet der Erwerb einer Auslandsimmobilie in England, den USA oder Australien künftig als Mittel der Pflichtteilsreduzierung aus. Wer bisher für diese Auslandsimmobilien gesonderte Testamente errichtet hat, sollte sie auf Übereinstimmung mit den Regelungen des Haupttestaments prüfen. Ein Pflichtteilsberechtigter, der für diese Auslandsimmobilien bislang leer ausgegangen ist, kann in seine Anspruchsberechnung künftig auch diese Auslandswerte einbeziehen. Er sollte sich nur vorher überlegen, ob der Erbe im Inland über ausreichendes Vermögen verfügt, damit sich eine Rechtsverfolgung im Inland überhaupt lohnt: Die betroffenen ausländischen Rechtsordnungen, die sich nicht der EuErbVO angeschlossen haben, werden auf der Anwendung ihres eigenen Erbrechts bestehen und deutsche Pflichtteilsansprüche dementsprechend zurückhaltend beurteilen.
Die Betrachtung wäre unvollständig, würde man nicht auch den umgekehrten Fall – die deutsche oder französische Immobilie eines Ausländers aus dem Bereich außerhalb der EuErbVO, z. B. England oder der USA – in den Blick nehmen: Ein Engländer mit Wohnsitz und domicile in England, der (direkter) Eigentümer einer deutschen Immobilie ist, muss heute wegen dieser Immobilie mit deutschen Pflichtteilsansprüchen rechnen: Ein deutsches Gericht wird wegen der britischen Staatsangehörigkeit des Erblassers nach Art. 25 Abs.1 EGBGB zunächst das englische Kollisionsrecht befragen, ob das dortige Recht angewandt werden will. Für die deutsche Immobilie ist dies nicht der Fall. Stattdessen verweist das englische Recht insoweit auf deutsches Recht als dem Recht der Belegenheit der unbeweglichen Sache zurück. Wir nehmen die Rückverweisung an, Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB, mit der Folge, dass die deutsche Immobilie nach deutschem Erbrecht vererbt wird. Hier kommt es zwar ebenso wie heute noch in dem obigen Beispiel einer Auslandsimmobilie in England oder Frankreich zu einer Nachlassspaltung und der Anwendung des Belegenheitsrechts. Während aber im obigen Beispiel die Nachlassspaltung auf Art. 3 a Abs. 2 EGBGB beruhte, der von Art. 30 EuErbVO abgelöst wird, ergibt sie sich hier aus dem ausländischen Kollisionsrecht, das auch nach Anwendbarkeit der EuErbVO weitergilt. Auch nach August 2015 kann der Erwerb einer Inlandsimmobilie durch einen Ausländer zur Anwendung des hiesigen Pflichtteilsrechts auf diese Immobilie führen, denn die auf Art. 21 Abs. 1 EuErbVO beruhende Berufung des ausländischen Rechts schließt das dortige Kollisionsrecht ein und erlaubt die Rück- und Weiterverweisung auch hinsichtlich einzelner Nachlassteile, Art. 34 Abs. 2 EuErbVO.
Dem ausländischen Eigentümer einer Inlandsimmobilie bietet die EuErbVO künftig eine Abhilfemöglichkeit: Wählt im Beispielsfall der englische Immobilieneigentümer für seinen weltweiten Nachlass gemäß Art. 22 Abs. 1 EuErbVO das englische Erbrecht als das Recht seiner Staatsangehörigkeit, führt diese Rechtswahl zur direkten Berufung des internen englischen Erbrechts, wie Art. 34 Abs. 2 EuErbVO zeigt. Deutsche Geri...