Tagungsbericht zum 44. Berliner Steuergespräch
Einführung
Das 44. Berliner Steuergespräch – moderiert von Herrn Prof. Dr. Roman Seer – bot ein Forum zum Austausch zwischen Steuerwissenschaft, Steuerpraxis und -politik, an dem neben den zwei Referenten Herrn Prof. Dr. Marc Desens und Herrn Prof. Dr. Lars Feld auch Herr Johannes Höfer, Herr Prof Dr. Ferdinand Kirchhof sowie Herr Christoph Lammersdorf mitwirkten.
In der Steuerpolitik wurden vor dem Hintergrund des Finanzbedarfs der öffentlichen Haushalte in den zurückliegenden Jahren zahlreiche Diskussionen über die Einführung neuer Steuern geführt. Die Einführung der Luftverkehr- und der Kernbrennstoffsteuer ebenso wie Überlegungen zur Einführung einer Transaktionssteuer auf Finanzgeschäfte sind beredte Beispiele zur Erschließung neuer Einnahmequellen. Im Fokus der deutschen Steuerpolitik stehen hierbei aber nicht nur die zusätzlichen, zur Haushaltskonsolidierung dringend benötigten finanziellen Mittel, sondern vielmehr auch die steuerpolitischen Lenkungswirkungen solcher Abgaben. Immer häufiger wird kritisiert, dass der Gesetzgeber bei der Einführung neuer Steuern die Grenzen der verfassungsrechtlichen Vorgaben überschreite.
A. Referate
I. Steuerfindungsrecht des Bundes aus rechtlicher Perspektive
Prof. Desens hinterfragte, ob das Steuerfindungsrecht des Bundes aus Art. 105 GG auf die in Art. 106 GG genannten Steuern beschränkt sei. Obgleich der Wortlaut des Art. 105 GG keine solche Einschränkung enthalte, sei es zu Recht herrschende Auffassung, dass Art. 106 GG klären müsse, wem der Ertrag zustehe, weshalb aus Art. 106 GG eine Grenze für die Steuerkompetenz des Bundes resultiere.
Bei der im Jahre 2011 in Deutschland eingeführten Kernbrennstoffsteuer könnte es sich um eine Verbrauchsteuer iSd Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG handeln. Zunächst müsse der Steuergegenstand ein verbrauchsfähiges Gut darstellen. Objektiv steuerpflichtig sei die gewerbliche Erzeugung von elektrischem Strom durch das Verbrennen eines Kernbrennstoffs wie Plutonium oder Uran. Obwohl es sich um einen Verbrauch im produktiven Bereich handle, liege in Übereinstimmung mit den bisherigen Maßstäben von BFH und BVerfG ein verbrauchsfähiges Gut vor. Weiterhin dürfe die Erhebung nur in der Sphäre desjenigen erfolgen, bei dem sich der Vorgang auf Grund eines äußerlich erkennbaren Vorgangs verwirkliche. Als Anknüpfungspunkt komme hier der Verbrauch, also das Ingangsetzen der Reaktion in Betracht. Schließlich sei die Überwälzbarkeit der wirtschaftlichen Belastung auf den Endverbraucher zu klären. Der Gesetzgeber verknüpfe damit einen Lenkungszweck, der verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen müsse. ISd Willkürprüfung des BVerfG müsse irgendein fiskalpolitischer, volkswirtschaftlicher, sozialpolitischer oder steuertechnischer Erwägungsgrund zur Erhebung der Kernbrennstoffsteuer existieren, was hier wohl anzunehmen sei, obwohl auch dies Gegenstand einer intensiveren Diskussion sein könne. Das BVerfG habe zur Frage der Abwälzung entschieden, dass diese nur rechtlich und tatsächlich möglich sein müsse. Es reiche sogar aus, wenn die Entgelte den Steuerbetrag und die sonstigen notwendigen Kosten deckten. Aus ökonomischer Sicht werde dieses Kriterium gewiss anders beurteilt. Lege man jedoch den verfassungsrechtlichen Maßstab an, so sei die Abwälzbarkeit zu bejahen, sodass die Kernbrennstoffsteuer dem verfassungsrechtlichen Typus der Verbrauchsteuer entspreche.
Auch bei der Luftverkehrsteuer sei eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes nur dann zu bejahen, wenn sie eine Steuer iSd Artikel 106 GG darstelle. Da ein Flugzeug ein motorisiertes Verkehrsmittel sei, könne die Luftverkehrsteuer dem Typus einer Verkehrsteuer entsprechen – bezogen auf sonstige Verkehrsmittel iSd Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG. Gleichwohl sei auch eine Einordnung als (überörtliche) Aufwandsteuer denkbar, für die der Bund keine Kompetenz besitze. Für eine Aufwandsteuer spreche, dass die Luftverkehrsteuer erst mit dem Abflug des Fluggastes entstehe, also an das Halten des Sitzplatzes bzw. den Zustand des Mitfliegens anknüpfe. Für eine Verkehrsteuer spreche, dass jeder Rechtsvorgang, der zum Abflug berechtige, Steuergegenstand sei. Dies werde durch die Fiktion des Sitzplatzhaltens verwässert, ändere aber nichts an ihrer Einordnung als Verkehrsteuer. Verfassungsrechtlich bedenklich sei die Ausgestaltung des Tarifs. Die Besteuerung erfolge nic...