Leitsatz
Ein gemeinschaftliches Testament, das keine Regelung für den Tod des zuerst versterbenden Ehegatten enthält, kann nicht dahin ausgelegt werden, dass einzelne gesetzlich erbberechtigte Personen von der Erbfolge nach dem Erstversterbenden ausgeschlossen sind.
OLG München 31. Zivilsenat, Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 31 Wx 434/12
Sachverhalt
Der Erblasser ist im Mai 2011 im Alter von fast 89 Jahren verstorben. Die Beteiligte zu 3 ist seine Ehefrau, die Beteiligte zu 2 die einzige gemeinsame Tochter. Der Beteiligte zu 1 (geboren 1946) ist der nichteheliche Sohn des Erblassers. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben in Höhe von rund 150.000 EUR.
Es liegt ein vom Erblasser geschriebenes und unterschriebenes, von der Beteiligten zu 3 unterschriebenes Schriftstück vor, das wie folgt lautet:
Zitat
"Vollmacht! "
Sollte bei einem Unfall meiner Frau und mir mit Todesfolge ausgehen, so kann meine Tochter A. W. (verh. S.) frei über unseren Hausrat wie Bargeld -Ciro Kondo -SparKassenbuch Bundesschatzbrief und unser Auto Tord 15M verfügen.
Augsburg, d. 4. Sep. 73
(Unterschriften)“
Der Beteiligte zu 1 hat am 24.7.2012 die Erteilung eines Erbscheins aufgrund gesetzlicher Erbfolge beantragt, der ihn und die Beteiligte zu 2 zu je 1/4 und die Beteiligte zu 3 zu 1/2 als Miterben ausweist. Die Beteiligte zu 2 ist dem Antrag entgegengetreten. Das Schriftstück vom 4.9.1973 stelle eine letztwillige Verfügung dar, wonach die gemeinsame Tochter über alle Vermögenswerte der Eheleute verfügen solle. Dem Verstorbenen sei bekannt gewesen, dass der Beteiligte zu 1 sein Sohn sei. Dennoch habe er diesen bewusst von der Erbfolge ausgeschlossen. In der Verfügung komme deutlich zum Ausdruck, dass der Sohn nicht Erbe werden solle.
Das Nachlassgericht hat nach persönlicher Anhörung der Beteiligten zu 2 und 3 mit Beschluss vom 26.9.2012 den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Auslegung des als Testament anzusehenden Schriftstücks vom 4.9.1973 ergebe, dass der Erblasser den Beteiligten zu 1 von der Erbfolge habe ausschließen wollen. Eine solche Enterbung sei auch stillschweigend möglich, wenn der Ausschließungswille unzweideutig zum Ausdruck komme. Das ergebe sich aufgrund ergänzender Testamentsauslegung. Es sei eine unbewusste, planwidrige Lücke gegeben. Zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung seien die vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder von der Erbfolge nach dem Vater ausgeschlossen gewesen. Durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder vom 12.4.2011 sei diese Regelung mit Wirkung zum 29.5.2009 aufgehoben worden. Nach der Lebenserfahrung sei anzunehmen, dass der Erblasser und seine Ehefrau im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gewollt hätten, dass der Beteiligte zu 1 von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen sein solle. Auch sei aus der Sicht des Erblassers im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments 1973 eine ausdrückliche Enterbung gerade nicht erforderlich gewesen. Darüber hinaus stelle die Einsetzung der Tochter als Alleinerbin ein gewichtiges Indiz dar, dass der Beteiligte zu 1 enterbt werden sollte. Dem stehe nicht entgegen, dass die Alleinerbeinsetzung nur für den Fall des gleichzeitigen Versterbens der Ehegatten angeordnet sei. Es sei keinerlei Hinweis enthalten, wer im Falle des Vorversterbens eines Ehegatten erben solle, weshalb von gesetzlicher Erbfolge ausgegangen werde. Jedenfalls werde durch die letztwillige Verfügung zum Ausdruck gebracht, dass der Beteiligte zu 1 nichts bekommen solle. Außerdem habe der Erblasser nach Angaben der Beteiligten zu 2 immer zu ihr gesagt, dass sie einmal alles und der Beteiligte zu 1 nichts bekommen solle. In der Nichtberücksichtigung des Beteiligten zu 1 sei eine ausreichende Andeutung zu sehen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1. Das Schriftstück vom 4.9.1973 sei schon kein Testament. Überdies betreffe es nicht den vorliegenden Erbfall, da es auf das gemeinsame Versterben der Eheleute abstelle. Die Beteiligte zu 2 hält die Entscheidung des Nachlassgerichts für richtig. Der Wille des Verstorbenen, dass sein Sohn nicht Erbe werden solle, habe durch die alleinige Einsetzung der Tochter Ausdruck gefunden. Der Erblasser habe von Anfang an gewusst, dass der Beteiligte zu 1 sein nichtehelicher Sohn sei, und habe ihn ab ca. 1957 auch als solchen vorgestellt. Dennoch habe er ihn in der letztwilligen Verfügung nicht berücksichtigt. Es habe auch nie ein gutes Verhältnis zwischen beiden bestanden. Hingegen sei die Beteiligte zu 2 immer für ihre Eltern da gewesen.
Aus den Gründen
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Nachlassgericht hat zu Unrecht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen. Der Erblasser wird aufgrund Gesetzes beerbt, wovon auch das Nachlassgericht ausgeht. Von der gesetzlichen Erbfolge ist der Beteiligte zu 1 nicht ausgeschlossen. Der von ihm beantragte Erbschein entspricht deshalb der Erbrechtslage (§ 1924 Abs. 1 und 4, § 1931 Abs. 1 Sat...