Durch die Anwendung unterschiedlichen Rechts in einem Erbrechtsfall kommt es zur sogenannten Nachlassspaltung, was nicht selten zur Rechtsunsicherheit und unnötigen Rechtsstreitigkeiten führt. Dies soll anhand des nachfolgenden Beispielfalles erläutert werden:
a) Sachverhalt
Ein türkischer Staatsangehöriger, in 2. Ehe (kinderlos) verheiratet, zwei mittlerweile erwachsene Kinder aus erster Ehe, kein Ehevertrag, letzter Wohnsitz in Deutschland, verstirbt in Deutschland. Im Nachlass befindet sich eine eigengenutzte Eigentumswohnung in Deutschland, eine Ferienwohnung in der Türkei und bewegliches Vermögen in Deutschland und in der Türkei. Die Ehegatten hatten zu Lebzeiten des Erblassers auch keine Rechtswahl getroffen.
b) Erbstatut
Es soll die Erbfolge und die Erbquote hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens in Deutschland geprüft werden. Hat ein in Deutschland ansässiger und dort verstorbener türkischer Staatsangehöriger keine letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag) getroffen und gehört in Deutschland liegender Grundbesitz zum Nachlass, so ist nach dem hier anzuwendenden deutsch-türkischen Nachlassabkommen nach dem Belegenheitsort zu unterscheiden. D. h. bei einem türkischen Erblasser, zu dessen Eigentum auch eine Immobilie in Deutschland zählt, wird für die Immobilie deutsches Erbrecht angewandt, sodass sich für die Erben, die Ehefrau und die beiden Kinder aus erster Ehe, zunächst, d. h. ohne Berücksichtigung des güterrechtlichen Ausgleiches im Todesfalle, folgende Erbquote ergibt:
Ehefrau 1/4 (gesetzliche Erbquote, § 1931 Abs. 1 BGB) und die Kinder jeweils 3/8 (gesetzliche Erbquote, § 1924 iVm § 1931 Abs.1 BGB).
Die Erbfolge und die Erbquote ergeben sich aus dem Gesetz, da keine letztwillige Verfügung vorlag.
Hinsichtlich des unbeweglichen Nachlassvermögens in der Türkei und des sonstigen beweglichen Nachlasses ist das türkische Erbrecht anzuwenden. Es ergibt sich folgende Erbquote: Ehefrau 1/4 (Art. 499 tZGB), die Kinder jeweils 3/8 (Art. 495 tZGB).
Nun stellt sich jedoch die Frage, wie der Erbrechtsfall hinsichtlich güterrechtlicher Aspekte zu behandeln ist. Wir unterstellen im Ausgangsfall, dass beide Eheleute zum Zeitpunkt des Erbfalles jeweils nur die türkische Staatsangehörigkeit innehatten.
c) Zusammentreffen Erbstatut – Güterrechtstatut
Problematisch ist die Beurteilung der Fälle, in denen deutsches Erbstatut und türkisches Ehegüterrecht oder umgekehrt zusammentreffen. Denkbar ist es, in den deutsch-türkischen Nachlassangelegenheiten den § 14 Abs. 2 NA wörtlich so auszulegen, dass die erbrechtliche Verweisung auf den güterrechtlichen Anspruch erstreckt wird.
Das würde bedeuten, dass im Falle der Belegenheit der Immobilie in Deutschland deutsches Erbrecht anzuwenden ist und folglich auch deutsches Güterrecht. Vor allem spricht die Vereinheitlichungstendenz auf europäischer Ebene für diese Auslegung des § 14 Abs. 2 NA. Eine so weitereichende Auslegung lässt das Nachlassabkommen jedoch nicht zu. Alternativ könnte die güterrechtliche Beurteilung eines Sachverhalts die erbrechtliche Einordnung nach sich ziehen, sodass das Erbrecht des Ehegatten sich am Güterstatut orientiert. Beide Ansichten sind vom Nachlassabkommen nicht vorgesehen, sodass das Ehegüterrechtstatut separat ermittelt werden muss und der Güterstand als Vorfrage selbstständig angeknüpft wird.
d) Güterrechtsstatut
Unter güterrechtlichen Gesichtspunkten wird zunächst türkisches Güterrecht anzuwenden sein, wenn beide Eheleute die türkische Staatsangehörigkeit innehatten und diese auch im Zeitpunkt der Eheschließung hatten. Dies ergibt sich aus Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB. Das deutsche internationale Familienrecht verweist bei gemeinsamer türkischer Staatsangehörigkeit zum Zeitpunkt der Eheschließung auf türkisches Recht. Art. 15 Abs. 1 2. HS des türkischen IPRG (tIPRG) geht bei fehlender Rechtswahl und gemeinsamer türkischer Staatsangehörigkeit von der Anwendung des gemeinsamen Heimatrechtes aus. Das heißt, das türkische Recht nimmt diese Verweisung an, da es den Anknüpfungszeitpunkt des deutschen Rechts teilt. Art. 15 Abs. 2 tIPRG verweist jedoch auf das Recht des Ortes der Belegenheit, wenn es um die güterrechtliche Auseinandersetzung des unbeweglichen Vermögens in Deutschland geht. Diese Rückverweisung nimmt das deutsche Recht gem. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB an.
Auf die Folgesache Güterrecht kommt hinsichtlich der Immobilie in Deutschland deutsches Recht zur Anwendung und hinsichtlich des restlichen Vermögens findet türkisches Recht Anwendung, wenn keine Rechtswahl nach Art. 15 Abs. 2 EGBGB oder nach Art. 15 Abs. 2 tIPRG getroffen wurde. Für die in Deutschland belegene Immobilie von türkischen Staatsangehörigen ist demnach ein Zugewinnausgleich durchzuführen. Es kommt somit auch im Güterrecht (wie im Erbrecht) zu einer Spaltung des Güterrechtsstatuts.
Nach anderer Auffassung soll jedo...