Grundsätzlich bleiben die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1.1.1958 zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossen wurden, gem. der Bestimmung des Art. 351 a AEUV durch die Europäischen Verträge unberührt. Die Kollisionsnormen sollen gemäß Art. 20 ErbRVO auch im Verhältnis zu Drittstaaten gelten, sodass grundsätzlich im Falle eines Erbfalles, in welchem der Erblasser, der türkischer Staatsangehöriger war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, nach deutschem Erbrecht beerbt werden würde. Im deutsch-türkischen Verhältnis wird sich jedoch mit dem Inkrafttreten der ErbRVO nichts ändern, da bestehende bilaterale Staatsverträge der Mitgliedstaaten der EU mit Drittstaaten (hier: Türkei), so auch das deutsch-türkische Nachlassabkommen aus dem Jahre 1929, gemäß Art. 75 Nr. 1 ErbRVO bestehen bleiben. Etwas anderes würde nur gelten, wenn das Nachlassabkommen gekündigt werden würde. Derzeit gibt es jedoch weder von Deutschland noch von der Türkei aus Bestrebungen, an der derzeitigen Rechtslage etwas zu ändern.
Unter Zugrundelegung des Art 21 ErbRVO wäre im Falle des deutschen Erblassers, der seinen Ruhestand in der Türkei verbracht hat, wegen seines Lebensmittelpunktes in der Türkei ausschließlich türkisches Recht anzuwenden. Das türkische IPRG würde diese Verweisung jedoch nur hinsichtlich des unbeweglichen Nachlasses in der Türkei annehmen. Für das bewegliche Nachlassvermögen und für das in Deutschland befindliche unbewegliche Nachlassvermögen wird auf das deutsche Heimatrecht und das deutsche Belegenheitsrecht verwiesen, vgl. Art 34 ErbRVO. Dies ergibt sich aus Art. 20 tIPRG.
So könnten, im Interesse der an einem türkischen Erbfall Beteiligten, durch Aufgabe des Staatsangehörigkeitsprinzips und der zukünftigen Anknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers, eine einheitliche Praxis eingeführt werden und insbesondere die durch die Anwendung unterschiedlicher Rechtsnormen verursachten Rechtsunsicherheiten, aber auch Rechtsstreitigkeiten, zukünftig vermieden werden. Im Hinblick auf die Tatsache, dass in Deutschland sehr viele Bürger und Bürgerinnen mit noch türkischer Staatsangehörigkeit leben und mitunter auch in Deutschland Vermögen erworben haben, sollte die durchaus berechtigte Forderung an einer Gleichbehandlung der türkischen Mitbürger und Mitbürgerinnen mit anderen Drittstaatern, die in Deutschland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben und auf die deutsches Erbrecht Anwendung findet, umgesetzt werden.