1. Darstellung der noch aktuellen Rechtslage bis 16.8.2015
Im Zusammenhang mit der Türkei sollen für den hier zu erläuternden Teilaspekt lediglich die beiden folgenden praxisrelevanten Konstellationen näher beleuchtet werden: Ein deutscher Staatsangehöriger, wohnhaft in Deutschland, hat Immobilienbesitz in Deutschland und in der Türkei. Ein türkischer Staatsangehöriger, wohnhaft in der Türkei, verfügt über Immobilienbesitz in Deutschland. Die Tatsache, dass das bilaterale Nachlassabkommen zwischen Deutschland und der Türkei nach wie vor Gültigkeit hat, bedeutet, dass auch deutsche Staatsangehörige, die Immobilienbesitz in der Türkei haben und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, nach türkischem Erbrecht beerbt werden. Es kommt daher auch in dieser Konstellation zu einer Nachlassspaltung, wenn unbewegliches und bewegliches Vermögen in Deutschland und bewegliches Vermögen in der Türkei vorhanden ist. Hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens in der Türkei ist das türkische Erbrecht anzuwenden, im Übrigen das deutsche.
Zusammengefasst sind folgende Konstellationen aus Sicht eines deutschen Staatsangehörigen festzuhalten:
a) Für den beweglichen Nachlass ist das Heimatrecht des Erblassers zum Todeszeitpunkt zugrunde zu legen; dies gilt auch dann, wenn der Erblasser außerhalb des Vertragsstaates gelebt hat, in dem der unbewegliche Nachlass liegt (vgl. §§ 14 Abs. 1, 18 NA).
b) Für den unbeweglichen Nachlass ist nach dem Recht des Belegenheitsortes, ohne Rücksicht auf den Todesort des Erblassers zu beurteilen. Das bedeutet, dass im Falle eines Immobilienbesitzes in der Türkei, ein deutscher Erblasser, unabhängig von seinem letzten Wohnort und/oder Aufenthaltsort und unabhängig vom Todesort, hinsichtlich der Immobilie in der Türkei nach türkischem Erbrecht beerbt wird. Es stellt sich nun die Frage, wie der Ausgangsfall zu beurteilen ist, wenn der Erblasser deutscher Staatsangehöriger war, die Ehefrau türkische Staatsangehörige. Aus der 1. Ehe des Erblassers gehen 2 Kinder hervor. Es ist Immobilienbesitz sowohl in Deutschland als auch in der Türkei vorhanden, ebenso bewegliches Vermögen in Deutschland wie auch in der Türkei. Hinsichtlich des Immobilienbesitzes in der Türkei ist türkisches Erbrecht anzuwenden, im Übrigen deutsches Erbrecht. Im Zusammenhang mit dem Güterrecht, ist im Falle einer deutschen Staatsangehörigkeit des Erblassers und der türkischen Staatsangehörigkeit der Ehefrau des Erblassers gemäß Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 deutsches Güterrecht anzuwenden, wenn beide den letzten gemeinsamen Wohnsitz in Deutschland hatten. Wenn die Witwe ebenfalls deutsche Staatsangehörige ist, dann gilt hinsichtlich der Auslandsberührung bezogen auf den Nachlass in der Türkei gemäß Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 14 Abs. 1 Ziff. 1 zunächst ebenfalls deutsches Güterrecht.
Jedoch kommt es auch in dieser Konstellation zu einer Rechtsspaltung, wenn Grundbesitz in der Türkei vorhanden ist, vgl. Art. 3 a Abs. 2 EGBGB. Der Grundbesitz in der Türkei stellt auch im Fall, dass beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit haben, einen Fall mit Auslandsberührung dar. Somit ist anhand des türkischen Kollisionsrechts zu prüfen, welches Recht auf den in der Türkei befindlichen unbeweglichen Nachlass anzuwenden ist. Art. 15 Abs. 2 tIPRG besagt, dass auf die Auseinandersetzung des Vermögens hinsichtlich unbeweglicher Sachen das Recht des Landes angewandt wird, in dem sie belegen sind.
Somit unterfällt der Grundbesitz in der Türkei dem türkischen Güterrecht, auch wenn im Übrigen gemäß Art. 15 Abs. 1 iVm Art 14 Abs. 1 Ziff. 1 (beide besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit) und Art. 15 Abs. 1 iVm Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 (Erblasser besitzt die deutsche und die Witwe die türkische Staatsangehörigkeit) deutsches Recht anzuwenden ist.
So erben die deutsche und auch die türkische Witwe bei Grundbesitz in Deutschland und sonstigem beweglichem Vermögen neben den Kindern 1/2 und hinsichtlich des Grundbesitzes in der Türkei jeweils 1/4.
2. Rechtslage ab 17.8.2015 durch Einführung der ErbRVO
a) Überblick über die wesentlichen, relevanten Änderungen
aa) Universelle Anwendung ("loi uniforme")
Grundsätzlich bleiben die Rechte und Pflichten aus Übereinkünften, die vor dem 1.1.1958 zwischen einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und einem Drittstaat geschlossen wurden, gem. der Bestimmung des Art. 351 a AEUV durch die Europäischen Verträge unberührt. Die Kollisionsnormen sollen gemäß Art. 20 ErbRVO auch im Verhältnis zu Drittstaaten gelten, sodass grundsätzlich im Falle eines Erbfalles, in welchem der Erblasser, der türkischer Staatsangehöriger war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, nach deutschem Erbrecht beerbt werden würde. Im deutsch-türkischen Verhältnis wird sich jedoch mit dem Inkrafttreten der ErbRVO nichts ändern, da bestehende bilaterale Staatsverträge der Mitgliedstaaten der EU mit Drittstaaten (hier: Türkei), so auch das deutsch-türkische Nachlassabkommen aus dem Jahre 1929, gemäß Art. 75 Nr. 1 ErbRVO bestehen bleiben. Etwas anderes würde nur gelten, wenn das Nachlassabkommen gekündigt...