a) Bedeutung des Erbstatuts in der ErbVO
Aufgrund der Beschränkung auf rein formale Gesichtspunkte kommt es für die materiell-rechtliche Wirksamkeit einer dem Nachlassgericht gegenüber erklärten Erbausschlagungserklärung nicht allein auf Art. 28 ErbVO an. Dem anhand von Art. 21 u. Art. 22 ErbVO zu bestimmenden allgemeinen Erbstatut unterliegen das Zustandekommen, die Auslegung, die materielle Wirksamkeit sowie die Wirkungen der Erklärung, wie Art. 23 Abs. 2 lit. e) ErbVO für die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft klarstellt. Im Fall des OLG Schleswig verstarb eine deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland ohne letztwillig eine Rechtswahl angeordnet zu haben (vgl. Art. 22 ErbVO), sodass deutsches Erbrecht auch unter Anwendung der ErbVO maßgeblich gewesen wäre. Die Frage, wem gegenüber die Erklärung abzugeben ist, insbesondere ob die Erklärung amts- bzw. gerichtsempfangsbedürftig ist, und wenn ja, welchem Gericht oder welcher Behörde gegenüber die Erklärung abzugeben ist, beantwortet also das deutsche Recht als allgemeines Erbstatut. Dieses Ergebnis wird auch durch einen Hinweis in Art. 13 ErbVO gestützt, der insoweit auf das "auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht verweist". Auch nach europäischem Recht ist also die Frage des richtigen Empfängers und des Zugangs eine inhaltliche und keine der Form. Die Substitutionswirkung des Art. 13 ErbVO bezieht sich daher ebenfalls allein auf die Form der Abgabe der Erklärung, denn Sinn und Zweck der Norm ist es, die Gleichwertigkeit einer vor einem ausländischen Gericht formgerecht abgegebenen Erklärung im Verhältnis zu einer nach dem Erbstatut im Inland abzugebenden Erklärung herzustellen. So bedarf es keiner öffentlich beglaubigten oder zur Niederschrift des Nachlassgerichts abgegebenen Ausschlagungserklärung, solange diese entsprechend dem am Ausschlagungsort geltenden Ortsrecht auch formlos erklärt werden kann. Insoweit decken sich Art. 13 ErbVO und Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Erwägungsgrund Nr. 32 ErbVO, der ebenfalls lediglich davon spricht, dass Erben ihre Ausschlagungserklärung in der Form abgeben können, die nach dem Ortsrecht des Mitgliedstaates vorgesehen ist. Im deutschen Recht etwa sieht § 1945 Abs. 1 BGB dafür die Form der Niederschrift des Nachlassgerichts oder der von einem Notar öffentlich beglaubigten Urkunde vor, vgl. § 129 BGB. Im Falle der Niederschrift des Nachlassgerichts sind die Vorschriften des BeurkG einzuhalten, § 1945 Abs. 2 BGB. Eine Ausschlagungserklärung unter Beachtung deutscher Formvorschriften durch einen Erben mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland genügt also zur Verwendung in jedem anderen Mitgliedstaat, selbst wenn im Verwendungsstaat eine noch strengere Form gelten sollte. Umgekehrt kann gegenüber deutschen Gerichten die Ausschlagung auch in einfacher Schriftform erklärt werden, sofern dies nach dem Ortsrecht des Mitgliedstaats, in dem der Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, genügt. Gemäß Erwägungsgrund Nr. 82 ist das Vereinigte Königreich zur Anwendung der ErbVO nicht verpflichtet. Unterstellt, die ErbVO käme in England zur Anwendung, wäre nach neuer Rechtslage im vom OLG Schleswig zu entscheidenden Fall die Ausschlagungserklärung der Beteiligten zu 2 i.S.d. Art. 13 ErbVO formal ordnungsgemäß erfolgt. Da das englische Erbrecht eine Erbausschlagung im deutschen Sinne nicht kennt und dementsprechend auch keine einschlägigen Formvorschriften bereithält, kann durch einfache schriftliche Erklärung oder auch mittels Telefax eine nach englischem Recht entsprechende Erklärung formgültig gegenüber einem deutschen Gericht abgegeben werden. Insoweit wäre nach neuer Rechtslage im vom OLG Schleswig zu entscheidenden Fall die Ausschlagungserklärung der Beteiligten zu 2 formal ordnungsgemäß erfolgt. Diese Formvorschriften sind aber von der Frage des Zugangs beim richtigen Adressaten, und damit von derjenigen der materiellen Wirksamkeit der Erklärung, zu trennen. Beide richten sich gem. Art. 21 und Art. 23 Abs. 2 lit. e) ErbVO nach dem maßgeblichen Erbstatut.
Das bedeutet, dass der Erbe die Erklärung zwar entsprechend den ortsüblichen Gepflogenheiten hinsichtlich der Form abgeben kann und sich diesbezüglich nicht an die Anforderungen des maßgeblichen Erbstatuts zu halten hat. Wenn aber die lex fori des Ortes der Ausschlagung gilt und das Ortsgericht amtsempfangszuständig gem. Art. 13 ErbVO ist, dann muss die Erklärung auch in der Ortssprache abgegeben werden können. Gleichwohl sind deutsche Nachlassgerichte infolgedessen nicht zwangsläufig verpflichtet, eine in fremder Sprache abgegebene Erklärung zu akzeptieren. Dies lässt sich nicht nur aus § 184 GVG iVm § 1945 Abs. 1 HS 1 BGB, sondern auch auf europarechtlicher Ebene dem Gedanken des Art. 5 Abs. 1 EuZustellVO ableiten, der auch schon vor dem Inkrafttreten der ErbVO klarstellte, dass die abzugebende Erklärung vom Empfänger abgelehnt werden darf, wenn sie nicht in dessen Amtssprache abgegeben wurde. Dieser...