1. Auslegung der Ausschlagungserklärung
Die Beteiligte zu 1 begründete ihren Antrag auf Einziehung des Erbscheins gem. § 2361 BGB aF damit, dass für die Erbausschlagung der in England lebenden Beteiligten zu 2 englisches Ortsrecht gelte, wie sich aus Art. 11 Abs. 1 HS 2 EGBGB ergebe. Danach sei die Ausschlagungserklärung der Beteiligten zu 2 als formgültig anzusehen. Das AG Neumünster hatte die Erklärung jedoch für unwirksam gehalten.
Unstreitig war deutsches Recht anzuwenden, da die Erblasserin deutsche Staatsangehörige und der Erbfall dementsprechend gem. Art. 25 EGBGB aF nach deutschem Recht abzuwickeln war. Somit waren auch die Auslegungsgrundsätze des BGB für die Frage des Inhalts der abgegebenen Erklärung maßgeblich. Daran ändert auch Art. 11 Abs. 1 EGBGB nichts, da die angeordnete Rechtsalternativität lediglich die Formgültigkeit eines Rechtsgeschäfts erfasst. Auf dieser Rechtsgrundlage war die Erklärung der Beteiligten zu 2 nicht dahingehend auslegbar, dass sie eine Erbausschlagung zum Inhalt hatte. Unter Zugrundelegung allgemeiner Auslegungsgrundsätze, vgl. §§ 133, 157 BGB, hat die Beteiligte zu 2 lediglich erklärt, keine Haftung für etwaige anfallende Kosten und für Ausgaben der Erblasserin übernehmen zu wollen. Daraus ergibt sich aber nicht mit der notwendigen Sicherheit, dass die Beteiligte zu 2 die Erbschaft, insbesondere im Hinblick auf einen möglicherweise bestehenden Aktivnachlass, nicht annehmen wollte. Eine Ausschlagungserklärung muss den Willen des Erklärenden hinreichend eindeutig erkennen lassen, nicht Erbe sein zu wollen, wobei im Falle unklarer oder mehrdeutiger Erklärung auf das allgemeine Verständnis des Personenkreises abzustellen ist, der von der Ausschlagung rechtlich betroffen wird. Dabei ist der objektive Erklärungsgehalt maßgeblich, so wie der Empfänger ihn nach Vertrauensschutzgesichtspunkten und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste. Dieser Maßstab gilt, sofern deutsches Recht anzuwenden ist, auch für fremdsprachliche Erklärungen, wobei das Risiko sprachlicher Missverständnisse zulasten des Erklärenden geht.
2. Maßgeblichkeit des Erbstatuts
Das Gericht wäre aber auch bei einem gegenteiligen Auslegungsergebnis zur Unwirksamkeit der Erbausschlagungserklärung gekommen. Zwar besagt Art. 11 Abs. 1 EGBGB, dass es für die Formgültigkeit eines Geschäfts entweder auf das Recht, das für den das Rechtsverhältnis bildenden Gegenstand maßgeblich ist, oder aber auf das Recht des Staates ankommt, in dem es vorgenommen wird. Seinem Wortlaut nach stellt Art. 11 Abs. 1 EGBGB somit zur Wahl, ob sich die Formgültigkeit einer Ausschlagungserklärung nach dem jeweils maßgeblichen Erbstatut richtet oder nach dem Ortsrecht der Erklärung des Erben. Allerdings ist umstritten, ob die Vorschrift überhaupt auf die Erbausschlagung angewendet werden kann. Teils wird vertreten, § 1945 BGB ordne verfahrensrechtlich begründete Formerfordernisse an, sodass es stets auf das maßgebliche Erbstatut und nicht auf die lex fori ankomme. Eine im Ausland nach deutschem Erbrecht abgegebene Ausschlagungserklärung könne daher auch im Ausland nur in den von § 1945 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Formen, namentlich in öffentlich beglaubigter Form oder zur Niederschrift des Nachlassgerichts, abgegeben werden. Dies wird im Hinblick auf die weitreichende Legitimationswirkung des Erbscheins mit dem Erfordernis der Rechtssicherheit begründet. Diese Ansicht ist seit Anwendbarkeit der ErbVO am 17.8.2015 auch im Hinblick auf die Einführung des europäischen Nachlasszeugnisses (ENZ) im Anwendungsbereich der VO wohl nicht länger aufrechtzuerhalten.
Die hM hingegen hält Art. 11 Abs. 1 EGBGB hinsichtlich des Formstatuts für anwendbar, sodass es auf die von § 1945 BGB geforderten Formerfordernisse nicht mehr ankommt. Das OLG Schleswig kam auf der Grundlage der hM zu der Auffassung, dass die Frage, wem gegenüber die Erklärung abzugeben ist, keine der Form iSv Art. 11 Abs. 1 EGBGB, sondern vielmehr eine solche des anzuwendenden materiell-rechtlichen Erbstatuts gemäß Art. 25 EGBGB aF ist, weil die Erklärung amtsempfangsbedürftig ist. Auf der Grundlage des wegen der Staatsangehörigkeit der Erblasserin maßgeblichen § 1945 Abs. 1 HS 1 BGB müssen Erbausschlagungserklärungen gegenüber dem Nachlassgericht abgegeben werden (sog. amtsempfangsbedürftige Willenserklärung). Damit stellt das materielle Erbrecht eine erhöhte Anforderung an die Adressierung bzw. den Zugang beim Empfänger der Erklärung. Die Amtsempfangsbedürftigkeit ist dementsprechend kein rein formal zu bet...