1. Inkrafttreten der ErbVO und des IntErbRVG
Mit dem Inkrafttreten der ErbVO und des IntErbRVG hat sich die Rechtslage verändert. Der Sachverhalt bietet exemplarisch Anlass darzustellen, auf welche Veränderungen sich die Praxis einzustellen hat. Zu prüfen ist daher, ob sich bei Anwendung des neuen europäischen Erbrechts in Fällen der Erbausschlagung durch im Ausland lebende Erben Änderungen ergeben. Wie schon ein kurzer Blick auf Art. 25 EGBGB in der seit 17.8.2015 anzuwendenden neuen Fassung zeigt, gelten im internationalen Erbrecht nunmehr vorrangig die Regeln der ErbVO. Soweit die Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht ohnehin in den Anwendungsbereich der ErbVO fällt, sind die Vorschriften des Kapitels III der ErbVO gem. Art. 25 EGBGB gleichwohl entsprechend anzuwenden. Erbfälle, bei denen der Erblasser im Vereinigten Königreich in Irland oder in Dänemark lebte oder die Erben ihren Wohnsitz haben, fordern vom Rechtsanwender besondere Aufmerksamkeit, da in diesen Mitgliedstaaten die ErbVO bisher nicht zur Anwendung kommt, vgl. Erwägungsgründe Nr. 82 und 83 ErbVO.
2. Art. 28 ErbVO
Die ErbVO enthält in Art. 28 Regelungen zur Erbausschlagungserklärung. Danach gilt für die Form der Ausschlagungserklärung gem. Art. 28 lit. a) ErbVO das nach Art. 21 u. Art. 22 ErbVO einschlägige Recht desjenigen Mitgliedstaates, in dem sich der Erblasser gewöhnlich aufhielt oder das er wirksam gewählt hatte. Art. 28 lit. b) ErbVO erweitert das maßgebliche Recht um die Dimension des im Ausland lebenden Erben und erklärt auch das Ortsrecht desjenigen Mitgliedstaates für anwendbar, in welchem der die Ausschlagung erklärende Erbe seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Aus deutscher Sicht stellt diese Vorschrift keine umstürzende Neuerung dar, denn sie funktioniert ähnlich wie bislang Art. 11 EGBGB, mit dem sie allerdings nicht deckungsgleich ist. Denn während Art. 28 lit. b) ErbVO die Form am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Erklärenden beruft, stellt Art. 11 EGBGB auf das Recht am Ort der Vornahme der Handlung ab. Insoweit kennt Art. 28 lit. b) ErbVO strengere Voraussetzungen als Art. 11 EGBGB.
Art. 28 ErbVO gesteht dem Erben zu, das ihm angefallene Erbe formwirksam entweder nach Maßgabe des Erbstatuts oder nach dem Recht des eigenen Aufenthaltsorts auszuschlagen. Die Erleichterung bezieht sich nur auf die Form und die Beweisbarkeit der Ausschlagungserklärung, nicht jedoch auf die Frist oder gar auf inhaltliche bzw. materiell-rechtliche Fragen. Art. 28 lit. b) ErbVO unterwirft ausschließlich die Formgültigkeit alternativ dem Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Erklärenden. Zur Form gehört das äußere Verhalten, das dem Urheber einer rechtlich erheblichen Willenserklärung vorgeschrieben wird. Damit ist nach dem europäischen Rechtsregime zu entscheiden, ob es sich bei der Ausschlagungserklärung ausschließlich um eine Formfrage handelt, oder ob die Thematik des richtigen Empfängers und des Zugangs eine inhaltliche Dimension besitzt.
3. Vorrang des Erbstatuts
a) Bedeutung des Erbstatuts in der ErbVO
Aufgrund der Beschränkung auf rein formale Gesichtspunkte kommt es für die materiell-rechtliche Wirksamkeit einer dem Nachlassgericht gegenüber erklärten Erbausschlagungserklärung nicht allein auf Art. 28 ErbVO an. Dem anhand von Art. 21 u. Art. 22 ErbVO zu bestimmenden allgemeinen Erbstatut unterliegen das Zustandekommen, die Auslegung, die materielle Wirksamkeit sowie die Wirkungen der Erklärung, wie Art. 23 Abs. 2 lit. e) ErbVO für die Annahme oder Ausschlagung einer Erbschaft klarstellt. Im Fall des OLG Schleswig verstarb eine deutsche Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland ohne letztwillig eine Rechtswahl angeordnet zu haben (vgl. Art. 22 ErbVO), sodass deutsches Erbrecht auch unter Anwendung der ErbVO maßgeblich gewesen wäre. Die Frage, wem gegenüber die Erklärung abzugeben ist, insbesondere ob die Erklärung amts- bzw. gerichtsempfangsbedürftig ist, und wenn ja, welchem Gericht oder welcher Behörde gegenüber die Erklärung abzugeben ist, beantwortet also das deutsche Recht als allgemeines Erbstatut. Dieses Ergebnis wird auch durch einen Hinwe...