Zugleich Anmerkung zu OLG Schleswig, Beschluss vom 11.2.2015 – 3 Wx 90/14
Einführung
Das OLG Schleswig hatte sich in seinem Beschluss vom 11.2.2015 mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die in englischer Sprache abgefasste Erklärung einer in England lebenden Erbin einer deutschen Erblasserin mit dem Inhalt, sie lehne die Übernahme jeglicher Haftung für Kosten und Ausgaben der Erblasserin ab, eine wirksame Erbausschlagungserklärung gem. § 1945 Abs. 1 BGB darstellt. Der Fall, der noch vor Inkrafttreten der ErbVO entschieden wurde, bietet Anlass, alte und neue Rechtslage des internationalen Erbrechts miteinander zu vergleichen. Wenngleich die ErbVO nach Erwägungsgrund Nr. 82 im Vereinigten Königreich bisher nicht zur Anwendung kommt, eignet sich dieser Fall, um die Mechanismen der ErbVO im Verhältnis zu nationalem Recht zu verdeutlichen
I. Der Sachverhalt
Die Beteiligte zu 1 hatte zu Protokoll der Rechtspflegerin beim AG Neumünster einen Erbscheinsantrag gestellt, dem mit Erteilung eines Erbscheins entsprochen wurde. Im Vorfeld hatten nach jahrelang andauernder Suche zahlreiche Erben erster, zweiter und dritter Ordnung die Erbschaft form- und fristgerecht ausgeschlagen, oder sie waren bereits vorverstorben. Im Rahmen der umfangreichen Erbenermittlungen wurde auch die in England lebende Beteiligte zu 2 angeschrieben und über den Sachverhalt und den Anfall der Erbschaft in Kenntnis gesetzt. Unter Hinweis auf die geltenden Fristen – auch die Frist von sechs Monaten für den Fall, dass sich ein Erbe bei Beginn der Frist im Ausland aufhält, vgl. § 1944 Abs. 3 BGB – wurde sie über die Möglichkeit der Erbausschlagung informiert. Die Beteiligte zu 2 reagierte darauf mit einem in englischer Sprache abgefassten und von ihr handschriftlich unterschriebenen Schriftstück, in dem es in einem Satz heißt: "I refute any liability to any costs or expenses incurred by Y."
Das AG Neumünster teilte der Beteiligten zu 2 daraufhin mit, dass ihre Erklärung nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine Erbausschlagungserklärung entspräche und deshalb unwirksam sei. Die Beteiligte zu 2 wurde über die erneute Ausschlagungsmöglichkeit informiert. Eine weitere Stellungnahme oder Erklärung gab die Beteiligte zu 2 allerdings nicht ab. Entsprechend dem Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 verblieben sechs Erben der dritten Ordnung, für die der Erbschein mit entsprechenden Erbquoten vom AG Neumünster ausgestellt wurde. Mit Anwaltsschriftsatz beantragte die Beteiligte zu 1 die Einziehung des Erbscheins wegen inhaltlicher Unrichtigkeit. Sie begründete die Unrichtigkeit des Erbscheins mit der fehlenden Miterbenstellung der Beteiligten zu 2, da diese die Erbschaft ausgeschlagen habe. Das AG Neumünster lehnte diesen Antrag ab. Die Beschwerde dagegen (§§ 58 ff FamFG) blieb erfolglos.
II. Unwirksamkeit der Ausschlagungserklärung
1. Auslegung der Ausschlagungserklärung
Die Beteiligte zu 1 begründete ihren Antrag auf Einziehung des Erbscheins gem. § 2361 BGB aF damit, dass für die Erbausschlagung der in England lebenden Beteiligten zu 2 englisches Ortsrecht gelte, wie sich aus Art. 11 Abs. 1 HS 2 EGBGB ergebe. Danach sei die Ausschlagungserklärung der Beteiligten zu 2 als formgültig anzusehen. Das AG Neumünster hatte die Erklärung jedoch für unwirksam gehalten.
Unstreitig war deutsches Recht anzuwenden, da die Erblasserin deutsche Staatsangehörige und der Erbfall dementsprechend gem. Art. 25 EGBGB aF nach deutschem Recht abzuwickeln war. Somit waren auch die Auslegungsgrundsätze des BGB für die Frage des Inhalts der abgegebenen Erklärung maßgeblich. Daran ändert auch Art. 11 Abs. 1 EGBGB nichts, da die angeordnete Rechtsalternativität lediglich die Formgültigkeit eines Rechtsgeschäfts erfasst. Auf dieser Rechtsgrundlage war die Erklärung der Beteiligten zu 2 nicht dahingehend auslegbar, dass sie eine Erbausschlagung zum Inhalt hatte. Unter Zugrundelegung allgemeiner Auslegungsgrundsätze, vgl. §§ 133, 157 BGB, hat die Beteiligte zu 2 lediglich erklärt, keine Haftung für etwaige anfallende Kosten und für Ausgaben der Erblasserin übernehmen zu wollen. Daraus ergibt sich aber nicht mit der notwendigen Sicherheit, dass die Beteiligte zu 2 die Erbschaft, insbesondere im Hinblick auf einen möglicherweise bestehenden Aktivnachlass, nicht annehmen wollte. Eine Ausschlagungserklärung muss den Willen des Erklärenden hinreichend eindeutig erkennen lassen, nicht Erbe sein zu wollen, wobei im Falle unklarer oder mehrdeutiger Erklärung auf das allgemeine Verständnis des Personenkreises abzustellen ist, der von der Ausschlagung rechtlich betroffen wird. Dabei ist der objektive Erklärungsgehalt maßgeblich, so wie der Empfänger ihn nach Vertrauensschutzgesichtspunkten und...