Leitsatz
Kündigt eine ungeteilte Erbengemeinschaft das vor Eintritt des Erbfalls mit einem leistungsfähigen Miterben durch den Erblasser begründete Mietverhältnis aufgrund von Zahlungsverzug, so handelt es sich hierbei nicht um eine Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung, wenn im Zeitpunkt der Kündigung des Mietverhältnisses eine im Anschluss erfolgende Vermietung nicht sichergestellt ist.
LG Berlin, Urteil vom 11. Oktober 2016 – 67 S 190/16
Sachverhalt
Der Kläger nimmt die Beklagten nach erfolgter Kündigung auf Räumung und Herausgabe einer von diesen innegehaltenen Mietwohnung sowie auf Zahlung an eine ungeteilte Erbengemeinschaft, deren Mitglied sowohl er selbst als auch die Beklagte zu 1) und eine weitere, nicht am Rechtsstreit beteiligte gemeinsame Schwester sind, in Anspruch und macht hilfsweise die Feststellung der Beendigung des von den Beklagten im Jahre 2007 begründeten Mietverhältnisses über die streitgegenständliche Wohnung geltend.
Durch das am 11.5.2016 verkündete und den Parteien jeweils am 17.5.2016 zugestellte Urteil, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Zahlungs- und Feststellungsanträgen teilweise stattgegeben und die auf Räumung- und Herausgabe gerichtete Klage vollständig abgewiesen.
Hiergegen richten sich jeweils wechselseitig die am 3.6.2016 eingelegte und am 18.7.2016 begründete Berufung des Klägers sowie die am 16.6.2016 eingelegte und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 18.8.2016 am 16.8.2016 begründete Berufung der Beklagten. Der Kläger rügt mit seiner Berufung im Wesentlichen, das Amtsgericht habe die ausgesprochenen Kündigungen zu Unrecht nicht als Maßnahmen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung erachtet. Auch stünde das sich nach Auffassung des Amtsgerichts aus der Miterbenstellung der Beklagten zu 1) ergebende Besitzrecht dem geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht entgegen. Zumindest sei das Mietverhältnis mit Ablauf des 31.8.2015 beendet, sodass der hilfsweise erhobene Feststellungsantrag ebenfalls begründet sei. Wegen der Beendigung des Mietverhältnisses stünden der Erbengemeinschaft auch die mit der Berufung weiterverfolgten Nutzungsentschädigungsansprüche zu.
Die Beklagten, die das erstinstanzliche Urteil, soweit es ihnen vorteilig ist, verteidigen, vertiefen ihre erstinstanzlichen Ausführungen und beantragen wegen angeblicher Vorgreiflichkeit eines weiteren beim Landgericht Berlin geführten Rechtsstreits, in dem die Beklagte zu 1) die Teilerbauseinandersetzung betreibt, die Aussetzung des hiesigen Rechtsstreits, soweit dieser Gegenstand der Berufung des Klägers ist. Mit ihrer gegen die Zahlungsverurteilung zu Ziffer 1) des erstinstanzlichen Urteils eingelegten eigenen Berufung rügen sie im Wesentlichen, das Amtsgericht habe von ihnen geleistete Zahlungen entgegen § 366 Abs. 1 BGB fehlerhaft verrechnet; außerdem hätten die Parteien eine ihnen, den Beklagten, günstige nachträgliche Fälligkeitsabrede getroffen.
Der Kläger, der das erstinstanzliche Urteil verteidigt, soweit es für ihn von Vorteil ist, vertieft insoweit seine erstinstanzlichen Ausführungen und rügt zudem die Unzulässigkeit der gegnerischen Berufung, da die Prozessbevollmächtigten der Beklagten wegen eines Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO nicht postulationsfähig seien. (...)
Aus den Gründen
Die wechselseitig erhobenen Berufungen haben keinen Erfolg.
Die Berufung des Klägers ist unbegründet.
Die Kammer war befugt und gehalten, über die Berufung des Klägers durch Sachurteil zu entscheiden.
Die von den Beklagten im Umfang der klägerischen Berufung beantragte Aussetzung war gemäß § 148 ZPO nicht geboten, da dafür die Vorgreiflichkeit eines anderen Rechtsstreits erforderlich gewesen wäre (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 148 Rn 5). Daran fehlt es. Denn zum einen ergibt sich die von den Beklagten in Zweifel gezogene Beschlussfassung für den Ausspruch der Kündigungen und die Erhebung der Räumungs- und Herausgabeklage hier bereits prima facie schlüssig aus den Gesamtumständen; zum anderen kommt es auf diese, wegen der sich aus den nachstehenden Ausführungen ergebenden materiellen Unwirksamkeit der Kündigungen für die von der Kammer zu treffende Entscheidung, ohnehin nicht an. Die in einem weiteren Rechtsstreit betriebene Teilerbauseinandersetzung betrifft damit kein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen für den hiesigen Rechtsstreit präjudiziell wäre.
Das Amtsgericht hat die erhobene Räumungs- und Herausgabeklage zutreffend abgewiesen.
Der – auch weiterhin ungeteilten – Erbengemeinschaft steht der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß den §§ 985, 546 Abs. 1 BGB nicht zu, da das mit den Beklagten im Jahre 2007 begründete Mietverhältnis über die streitgegenständliche und 68 qm große 3-Zimmer-Wohnung ungekündigt fortbesteht. Die von dem Kläger ausgesprochenen Kündigungen sind sämtlich unwirksam. Dagegen vermag seine Berufung nichts zu erinnern.
Es konnte dahinstehen, ob den ausgesprochenen Kündigungen bereits gemäß § 2040 Abs. 1 BGB der Erfolg versagt war, weil es sic...