Barbara Dauner-Lieb/Herbert Grziwotz (Hrsg.)
2. Aufl. 2016, 834 Seiten, 108,– EUR
ISBN: 978-3-8487-1031-7
Der erfolgreiche Kommentar zum Pflichtteilsrecht liegt nun in einer zweiten Auflage vor. Dabei hat der Umfang des Werks deutlich spürbar zugenommen (von ehemals 620 Seiten auf nunmehr 834 Seiten). Frau Hohmann-Dennhardt ist als Mit-Herausgeberin und Autorin ausgeschieden.
Bei Kommentaren zu Spezialgebieten, wie dem vorliegenden, stellt sich immer die Frage nach der Sinnhaftigkeit von Kommentaren zu Teilgebieten des BGB, oder – wie hier – zum Pflichtteilsrecht als dem Teilgebiet eines Teilgebiets. Hier besteht die Gefahr, dass die Dinge so sehr aus dem Zusammenhang gelöst werden, dass die Systematik verloren geht.
Betrachtet man aber das vorliegende Werk, so erkennt man bald, dass hier die Beschränkung auf ein Teilgebiet dazu genutzt wurde, Bezüge zu Gebieten außerhalb des BGB – also hier dem Verfassungsrecht, dem Gesellschaftsrecht, dem Steuerrecht, dem Sozialrecht, dem Internationalen Privatrecht und der Rechtsvergleichung – herzustellen. Statt mit einem "Ausschnittskommentar" haben wir es also mit einem "Querschnittskommentar" zu tun, der die Möglichkeit zu einer andersartigen Vernetzung bietet, als die herkömmlichen, auf das BGB fokussierten Kommentierungen.
Wie wichtig diese Vernetzung ist, zeigt sich z. B. an der Diskussion um die verfassungsrechtliche Pflichtteilsgarantie. So wird in der Einleitung von Frau Dauner-Lieb und Herrn Grziwotz darauf hingewiesen, dass das Bundesverfassungsgericht die bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder am Nachlass der Eltern als Teil der Erbrechtsgarantie behandelt. Das wollen die Autoren auf den Ehegatten und die Eltern des Erblassers ausdehnen (Einleitung Rn 6). Das verwundert nicht nur angesichts der früher einmal geäußerten Vorschläge von Frau Dauner-Lieb zur Abschaffung des Pflichtteilsrechts. Sehen wir den rechtsvergleichenden Teil des Handkommentars durch, so müssen wir feststellen, dass sämtliche Nachbarstaaten Deutschlands, die in jüngerer Zeit Reformen des Erbrechts durchgeführt haben, hierbei das Pflichtteil der Eltern beseitigt haben (Frankreich, Niederlande, Tschechien, und Österreich, das mit einem Spezialbericht zur Erbrechtsreform vertreten ist). Auch das Pflichtteil des Ehegatten ist durchaus nicht selbstverständlich (kein Pflichtteil z. B. in Frankreich und in den Niederlanden). Das zeigt auf, dass nach Auffassung der beiden Autoren die Karlsruher Richter das deutsche Pflichtteilsrecht vom mitteleuropäischen common sense abgekoppelt haben. Eine Rechtsänderung wie in den europäischen Nachbarstaaten wäre nach Ansicht der Autoren der Einleitung in Deutschland also nur im Wege einer Verfassungsänderung möglich.
Pflichtteilsrecht bedeutet in der Praxis nicht nur Pflichtteilsdurchsetzung und Pflichtteilsabwehr, sondern auch Nachlassplanung. Der Leser findet hierzu dankenswerterweise ein eigenes Kapitel, den längsten Beitrag im ganzen Buch (Strategien zur Minimierung des Pflichtteils durch lebzeitige Rechtsgeschäfte, S. 633 – 708), der Möglichkeiten der Pflichtteilsplanung auf allen Gebieten durchleuchtet. Trotz Erwähnung der güterrechtlichen Gestaltungsinstrumente sucht man bei den Ausführungen von Herrler hier leider vergeblich die Gütergemeinschaft als Regelungsinstrument. Ergänzend kann man auf die pflichtteilsreduzierenden Gestaltungshinweise von Heisel in seiner Kommentierung zu § 2303 BGB verweisen, die die Ausführungen von Herrler in gelungener Weise ergänzen.
Auch die übrigen Artikel des Handkommentars bestechen in gleicher Weise durch konzise Ausführungen, die sämtliche Problemfragen darstellen und behandeln, ohne zu dabei in die langschweifige monographische Breite zu gehen. Der Leser kann sich an einem Werk erfreuen, das ihm zu allen Fragen des Pflichtteilsrechts ohne langes Suchen eine praxisnahe Erklärung päsentiert. Damit ist diese Neuauflage ganz klar zur Anschaffung zu empfehlen.
Autor: Dr. Rembert Süß
Dr. Rembert Süß, Rechtsanwalt, Würzburg
ZErb 2/2017, S. 060