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Wer Jack Nicholson in dem Film "Einer flog über das Kuckucksnest" gesehen hat, wird eine grundsätzliche Abneigung gegen ärztliche Zwangsmaßnahmen haben. Noch mehr wird das meist gelten, wenn man Erfahrungen von zwangsbehandelten Menschen hört oder selbst betroffen war. Aus der Annahme, dass es Krankheiten gibt, die behandelbar sind, aber die Einsicht dazu krankheitsbedingt fehlen kann, wird allerdings eine staatliche Schutzpflicht für solcherart betroffene Personen angenommen. Dass diese Pflicht in die Vornahme einer ärztlichen Zwangsmaßnahme mündet, sollte zweifelsohne eine absolute Ausnahme sein. Und eigentlich sollte auch selbstverständlich sein, dass es für solche Maßnahmen klarer, gesetzlicher Vorgaben bedarf, die auch eingehalten werden. Auf das zweite, praktische Problem soll hier nicht näher eingegangen, sondern nur der subjektive Eindruck vermittelt werden, nach welchem die Umsetzung durch Mediziner und medizinische Einrichtungen noch sehr unterschiedlich ist. Die gesetzlichen Vorgaben sind Gegenstand dieser Ausführungen, denn sie haben sich geändert.
I. Anlass der Änderung
Seit dem 26.7.2017 ist ein neuer Paragraph im BGB in Kraft, der § 1906 a BGB. In ihm werden nun speziell die ärztliche Zwangsmaßnahme und die Verbringung in ein Krankenhaus zur Vornahme einer solchen Maßnahme geregelt. Zuvor war dies zum Teil in § 1906 BGB enthalten. Dort war eine Regelung allerdings auch erst mit Wirkung zum 26.2.2013 eingefügt worden. Vor dem 26.2.2013 befasste sich § 1906 BGB nur mit der Unterbringung, also der zivilrechtlichen Freiheitsentziehung durch Einsperren in eine "geschlossene Abteilung" oder durch sonstige Maßnahmen wie Bauchgurte, Bettgitter oder Medikamente. Dies ist nun in § 1906 BGB wieder der Fall.
Wie aufgrund der ungewöhnlichen Daten des Inkrafttretens der Änderungen vermutet werden kann, handelt es sich nicht um lange geplante Änderungen auf der Grundlage gesetzgeberischer Initiativen. Die Neuregelungen sind jeweils Reaktionen auf (verfassungs-)gerichtliche Entscheidungen gewesen. In den Jahren 2011 und 2012 bemängelten das BVerfG und der BGH, dass es für die ärztliche Zwangsmaßnahme keine ausreichende gesetzliche Grundlage gebe. Auf Vorlage des BGH entschied das BVerfG mit Beschluss vom 26.7.2016, dass hinsichtlich der ärztlichen Zwangsmaßnahme ein verfassungswidriges Regelungsdefizit bestehe. Für Menschen, die sich einer Behandlung aufgrund von Immobilität nicht entziehen konnten und daher nicht untergebracht waren, war eine zwangsweise Behandlung nicht möglich. Sie waren damit weniger geschützt, was gegen Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verstieß. Der nun umgesetzte Auftrag des BVerfG an den Gesetzgeber war die Folge.
II. Abgrenzung und kleinere Änderungen
In die Rechte auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit darf gem. Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG nur aufgrund eines Gesetzes eingegriffen werden. Im und durch den Strafvollzug geschieht dies nach den strafrechtlichen Vorschriften, im Zivilrecht nach den §§ 1904–1906 a BGB.
Auch in der Praxis nicht immer einfach abzugrenzen von den zivilrechtlichen Grundlagen sind die des öffentlichen Rechts. Sie werden in den Gesetzen der Länder für psychisch erkrankte Menschen geregelt, die meist PsychKG heißen, zum Teil auch UnterbringungsG (Bayern, Saarland) oder FreiheitsentziehungsG (Hessen). Im Kern geht es um schnelle Schutzmaßnahmen für den Betroffenen (z. B. bei Suizidgefahr), aber auch für Dritte bei einer Bedrohungslage durch den Betroffenen (vgl. z. B. § 15 PsychKG Berlin). Auch die PsychKG waren und sind immer wieder Gegenstand gesetzgeberischer Maßnahmen aufgrund verfassungsgerichtlicher Entscheidungen.
In einem Zug mit der Neugestaltung der §§ 1906, 1906 a BGB gab es weitere, kleinere Änderungen. Eher programmatisch-überflüssig und in seiner Folge für rechtliche Beratungen durch Nichtjuristen problematisch ist die Einfügung eines neuen Absatz 4 in § 1901 a BGB. Danach sollen Betreuer den Betreuten "in geeigneten Fällen auf die Möglichkeit einer Patientenverfügung hinweisen und ihn auf dessen Wunsch bei der Errichtung einer Patientenverfügung unterstützen."
In § 1906 BGB ist nun festgehalten, dass eine Anzeige der Beendigung der Unterbringung beim Betreuungsgericht durch den Betreuer "unverzüglich" zu erfolgen hat. Im § 1906 Abs. 4 BGB wurde der veraltete Begriff der "Anstalt" durch "Krankenhaus" ersetzt. Folgeänderungen betreffen zudem u. a. das FamFG (§§ 312 Nr. 3, 317, 326).
III. Neuerungen
In der Neugestaltung wurde die Regelung der ärztlichen Zwangsmaßnahme aus ...