a) Allgemeines
Eine uneingeschränkte unabänderliche Schlusserbeneinsetzung etwa von Abkömmlingen führt zu einer unbeschränkten Bindungswirkung des längerlebenden Ehegatten. Daher dürfte es in aller Regel verfehlt sein, Ehegatten zu einem relativ frühen Zeitpunkt schon zu empfehlen, in diesem Sinne zu testieren. Tritt der Erbfall durch Versterben des ersten Ehegatten relativ schnell ein, ist der Längerlebende an diese Schlusserbeneinsetzung durch die dann eintretende Bindungswirkung unabhängig davon gebunden, welche weiteren Überraschungen das Leben noch für ihn und seine Kinder bereithält.
Daher ist es empfehlenswert, in derartige Testamente einen mehr oder weniger weitreichenden Änderungsvorbehalt aufzunehmen. Zumindest aber sollte dem Längerlebenden durch eine entsprechende Regelung ermöglicht werden, auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen nach dem Erstversterbenden reagieren zu können.
3.7.2
b) Anders als beim Erbvertrag mit seiner weiterreichenden vertragsmäßigen Bindung ist die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Änderungsvorbehalts oder einer Freistellungsklausel beim gemeinschaftlichen Testament anerkannt. Auch im Wege der Auslegung könnte dem gemeinschaftlichen Testament ein solcher Änderungsvorbehalt entnommen werden.
Ferner wurde bereits entschieden, dass durch eine ergänzende Auslegung ein hypothetischer Wille zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung für den Fall ermittelt werden kann, dass sich nach dem Tod eines Ehegatten die Umstände erheblich verändert haben sollten. Dabei ist jedoch regelmäßig Zurückhaltung geboten, bei Einsetzung eines Abkömmlings als Schlusserben dürfen beispielsweise Familienstreitigkeiten nach dem Vorversterben eines Ehegatten nicht als ausreichend angesehen werden, von einem konkludent vereinbarten Änderungsvorbehalt auszugehen. Es ist allerdings darauf zu achten, dass sich der Änderungsvorbehalt gerade auf die Befugnis zur abweichenden Verfügung von Todes wegen beziehen muss. Ein sogenannter Totaländerungsvorbehalt führt demgegenüber dazu, nicht mehr von einem gemeinschaftlichen Testament ausgehen zu dürfen. Dann liegen lediglich zwei Einzeltestamente vor.
3.7.3
c) Jüngst hatte das OLG Hamm sich mit der Formulierung "Von etwaigen Verfügungsbeschränkungen ist jeder der beiden Ehegatten befreit" zu beschäftigen, den Eheleute in einem gemeinschaftlichen Testament verwendet hatten.
Hier war nach dem Tod des Erstversterbenden anderweitig letztwillig verfügt worden. Der so eingesetzte Erbe hat die Auffassung vertreten, dass das Ehegattentestament in dem Sinne auszulegen sei, dass klargestellt werde, dass der überlebende Ehegatte auch letztwillig frei verfügen könne. Es sei gewollt gewesen, dass der überlebende Ehegatte berechtigt sein sollte, andere Verfügungen von Todes wegen zu treffen.
Das OLG Hamm führt dazu aus, es sei zwar erbrechtlich möglich und anerkannt, dass gemeinschaftlich testierenden Ehegatten die Widerruflichkeit wechselseitiger Verfügungen über § 2271 Abs. 2 BGB hinaus erweitern und dem überlebenden Ehegatten ein freies Widerrufsrecht einräumen könnten, eine solche Ermächtigung zur Abänderung wechselseitiger Verfügungen könne allerdings nur durch Testament eingeräumt werden, wobei sich der Vorbehalt gerade auf die Befugnis zur abweichenden Verfügung von Todes wegen beziehen müsse. Bei der Annahme eines solchen Erblasserwillens durch Auslegung sei jedoch Zurückhaltung geboten. Die häufige Bestimmung, dass der Überlebende frei und ungehindert verfügen dürfe, sei mangels anderweitiger Anhaltspunkte lediglich als klarstellender Hinweis auf die unbeschränkte Erbenstellung des Überlebenden und dessen damit einhergehende unbeschränkte Ermächtigung zu Verfügungen unter Lebenden zu verstehen. Die Bindungswirkung wechselseitiger Verfügungen liegt nämlich gerade darin begründet, dass die letztwillige Verfügung des Überlebenden dem vorverstorbenen Ehegatten Anlass zu seiner eigenen Verfügung gegeben hatte, für ihn dabei also das Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit jener Verfügung des Überlebenden maßgeblich war. Darin wird er getäuscht, wenn sie nach seinem Tode von dem anderen Ehegatten ohne Weiteres widerrufen werden kann. Das Urteil verhält sich auch zu der Frage, ob hier möglicherweise eine Anfechtung im Hinblick auf die eingetretene Bindungswirkung möglich gewesen wäre. Nachdem es im zu beurteilenden Sachverhalt auch an der Rechtzeitigkeit einer solchen Anfechtung fehlte, lag auch ein geeigneter Anfechtungsgrund nicht vor. Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist die Wechselbezüglichkeit der jeweiligen Verfügungen gerade nicht Erklärungsinhalt, sodass die getroffenen letztwilligen Verfügungen nicht wegen Irrtums über die mit dem Tod des Erstversterbenden eintretende Bindungswirkung angefochten werden können.