1. Definition
Als wechselbezüglich sind diejenigen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament anzusehen, die ein Ehegatte nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen hätte, bei denen also aus dem Zusammenhang des Motivs heraus eine innere Abhängigkeit zwischen den einzelnen Verfügungen derart besteht, dass die Verfügung des einen Ehegatten gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der andere Partner eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat oder anders ausgedrückt, wenn nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen oder fallen soll. Ein gemeinschaftliches Testament als solches kann nicht insgesamt wechselbezüglich sein, sondern es können jeweils nur einzelne Verfügungen auf die Wechselbezüglichkeit geprüft werden. Dementsprechend kann aus dem Umstand allein, dass Ehegatten die Form eines gemeinschaftlichen Testaments gewählt haben, noch nicht auf eine Wechselbezüglichkeit rückgeschlossen werden.
Wechselbezüglich können ohnehin lediglich Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen sein (§ 2270 Abs. 3 BGB). Daraus ergibt sich, dass andere Verfügungen, also etwa Teilungsanordnungen oder die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers, nicht wechselbezüglich getroffen werden können.
Praxistipp
Zwar kann die Testamentsvollstreckung nicht wechselbezüglich, also bindend angeordnet werden, dennoch ist die nachträgliche Anordnung einer Testamentsvollstreckung durch den Längerlebenden in aller Regel unwirksam, wenn damit das Recht des wechselbezüglich Bedachten beeinträchtigt wird, was in aller Regel der Fall sein wird. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn dem Längerlebenden im Rahmen eines Änderungsvorbehalts diese Möglichkeit eingeräumt war oder aber sich etwa durch eine ergänzende Auslegung der letztwilligen Verfügung bei verständiger Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse ein übereinstimmender Wille der Ehegatten ergibt, dass eine solche Testamentsvollstreckung angeordnet werden kann. Fraglich ist, ob in der bloßen Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers eine Beeinträchtigung im Sinne von § 2289 BGB liegen kann. Der BGH prüft hier, ob die Rechtsstellung des Erben nach dem ursprünglichen Erbvertrag beeinträchtigt wird, und erforscht insoweit jeweils den konkreten Inhalt der zugrunde liegenden letztwilligen Verfügung (hier Erbvertrag).
2. Umsetzung der Definition in die Praxis
Eine Wechselbezüglichkeit kann sich aus einer ausdrücklichen Anordnung im Testament ergeben. Bei privatschriftlichen Testamenten ist allerdings das Problembewusstsein der Testierenden nicht so weit entwickelt, dass das Problem der Wechselbezüglichkeit überhaupt bekannt wäre, sodass hier in aller Regel eine Auslegung erforderlich ist. Letztlich helfen die Auslegungsregeln des § 2270 Abs. 2 BGB.
3.2.1
a) Wie bereits erwähnt, spricht allein die Wahl der Form des gemeinschaftlichen Testaments noch nicht für die Wechselbezüglichkeit einer Verfügung. Auch der Grad der Verwandtschaft der Schlusserben zum Erblasser besagt darüber zunächst einmal nichts. Das in der Praxis immer noch so beliebte Berliner Testament enthält eine denkbare Wechselbezüglichkeit im Verhältnis der Verfügungen die gegenseitige Erbeinsetzung betreffend, aber auch im Verhältnis der Schlusserbeneinsetzung des Überlebenden zur eigenen Erbeinsetzung durch den erstverstorbenen Ehegatten und im Verhältnis der Schlusserbeneinsetzung des Überlebenden zur Schlusserbeneinsetzung des erstverstorbenen Ehegatten.
Ein Indiz gegen eine Wechselbezüglichkeit auch in diesen Fällen ist beispielsweise, dass die Zuwendung des einen Ehegatten an den anderen hinter dessen gesetzlichem Erbteil oder sogar Pflichtteil zurückbleibt, oder der Umstand, dass ein Ehegatte den anderen zum Vollerben, dieser ihn aber nur zum Vorerben einsetzt, eine Gestaltungsvariante, die gerade im Bereich der Geschiedenentestamente häufig anzutreffen ist.
3.2.2
b) Das OLG München hatte die Frage zu entscheiden, ob eine Verfügung in einem gemeinschaftlichen Testament, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben einsetzen, als wechselbezüglich anzusehen ist. Auch hier war es so, dass das gemeinschaftliche Testament keine klaren und eindeutigen Anordnungen zur Wechselbezüglichkeit enthielt, sodass nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen und für jede Verfügung gesondert die Frage zu ermitteln war, ob eine Wechselbezüglichkeit anzunehmen war oder nicht.
Erst wenn die Ermittlung des Erblasserwillens weder die gegenseitige Abhängigkeit noch die gegenseitige Unabhängigkeit der beiderseitigen Verfügungen ergibt, ist gemäß § 2270 Abs. 2 BGB im Zweifel Wechselbezüglichkeit anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegat...