Leitsatz
Sind im notariellen Ehe- und Erbvertrag "die gemeinschaftlichen Kinder" als Erben eingesetzt, kommt anstelle eines Erbscheins gegenüber dem Grundbuchamt in der Regel auch eine Nachweisführung durch Personenstandsurkunden und Versicherung an Eides statt dazu in Betracht, dass nur ein gemeinschaftliches Kind vorhanden ist.
OLG München, Beschluss vom 12. Januar 2012 – 34 Wx 501/11
Sachverhalt
Im Grundbuch ist die am xxx verstorbene Frau Katharina N. als Grundstückseigentümerin eingetragen. Das Nachlassgericht hat am 5.9.2011 den beurkundeten Ehe- und Erbvertrag vom 9.3.1965 eröffnet. Hiernach hatten die Erblasserin und ihr vorverstorbener Ehemann Gütergemeinschaft vereinbart und den überlebenden Ehegatten als alleinigen Erben des Erstversterbenden eingesetzt. Weiter war erbvertraglich bestimmt (Ziffer IV):
"Erben des Zuletztversterbenden sind die gemeinschaftlichen Kinder nach gleichen Teilen. Der Letztlebende kann jedoch eines hiervon als Alleinerben einsetzen. ..."
Die Beteiligte hat als 1961 geborene Tochter der Verstorbenen am 1.10.2011 die Erbschaft angenommen und die Berichtigung des Grundbuchs durch Eintragung der Erbfolge unter Bezugnahme auf die bei einem auswärtigen Amtsgericht geführten Nachlassakten beantragt. Außerdem wurde erklärt, dass die Verstorbene außer der Beteiligten keine weiteren Kinder habe. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 10.10.2011 Frist zur Beseitigung folgenden Hindernisses gesetzt: Es fehle zum Nachweis der Erbfolge der Erbschein in Ausfertigung. Hiergegen richtet sich die Beschwerde. Begründet wird dies unter Hinweis auf die Regelung in Ziff. IV des Erbvertrags. Die Beteiligte sei das einzige Kind und könne dies durch Vorlage des Familienstammbuchs und wenn notwendig auch durch eine Bestätigung des Geburtsstandesamts nachweisen. Die Vorlage eines Erbscheins sei nicht notwendig. Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 7.11.2011 nicht abgeholfen.
Aus den Gründen
Die nach § 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1 und § 73 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde gegen die ergangene Zwischenverfügung (vgl. § 18 Abs. 1 GBO) hat überwiegend Erfolg.
1. Nach § 35 Abs. 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein geführt werden. Beruht jedoch die Erbfolge auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist – wie hier in einem Ehe- und Erbvertrag (§§ 1410, 2276 BGB) –, so genügt es, wenn anstelle des Erbscheins die Verfügung und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 GBO). Das Grundbuchamt kann jedoch die Vorlegung des Erbscheins verlangen, wenn die Erbfolge durch diese Urkunden nicht als nachgewiesen erachtet wird (§ 35 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 GBO).
a) Das Grundbuchamt hat die in der öffentlichen Urkunde enthaltene Verfügung von Todes wegen sowohl nach ihrer äußeren Form als auch nach ihrem Inhalt zu prüfen (z. B. OLG Frankfurt Rpfleger 1978, 412; Schaub in Bauer/von Oefele, GBO 2. Aufl., § 35 Rn 124). Es steht nicht in seinem Belieben, ob es einen Erbschein verlangen will oder ihm die in § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO genannten Beweismittel genügen (Schaub in Bauer/von Oefele aaO). Vielmehr hat das Grundbuchamt selbständig zur Frage der Erbfolge Stellung zu nehmen, gegebenenfalls auch den Willen des Erblassers durch Auslegung zu ermitteln und Zweifel durch Anwendung des Gesetzes auf die Verfügung zu lösen (siehe etwa KG OLGE 44, 88). Die inhaltliche Überprüfung der Urkunde muss ergeben, dass Erben in der Verfügung von Todes wegen in jedem Fall zweifelsfrei bezeichnet sind (Schaub in Bauer/von Oefele, § 35 Rn 147). Als unbestimmt ist die Erbeinsetzung anzusehen, wenn "die Kinder", die "Abkömmlinge" oder auch die "gemeinschaftlichen Kinder" benannt werden. Wenn auch in diesen Fällen grundsätzlich ein Erbschein verlangt werden kann (Schaub in Bauer/von Oefele, § 35 Rn 149), so kennt dieser Grundsatz doch Ausnahmen (Schaub in Bauer/von Oefele, § 35 Rn 138).
b) Nach wohl herrschender Meinung reicht im Grundbuchverfahren für die negative Tatsache, dass keine weiteren gemeinschaftlichen Kinder vorhanden sind, die eidesstattliche Versicherung des (der) Erben in Verbindung mit der notariellen letztwilligen Verfügung als Nachweis aus, es sei denn, es ergäben sich aus konkreten Umständen Zweifel an der Erbfolge (OLG Schleswig FGPrax 1999, 206; OLG Hamm FGPrax 2011, 223/224; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht 14. Aufl. Rn 790 mwN). So kann nach der Rechtsprechung des ehemals zuständigen Bayerischen Obersten Landesgerichts ein Erbschein (nur) dann verlangt werden, wenn Anhaltspunkte dafür sprechen, dass das Nachlassgericht weitere Ermittlungen anstellen und zu einer abweichenden Beurteilung der Erbfolge gelangen könnte (BayObLG FGPrax 2000, 179). Würde das Nachlassgericht ebenfalls ohne weitere Ermittlungen eine eidesstattliche Versicherung der Beteiligten der Erbscheinserteilung zugrunde legen, bedarf es des Umwegs über das Nachlassgericht nicht (aaO S. 180). Kann die Person des Erben durch Personenstandsurkunden festgestellt und...