Leitsatz
Einem vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kind bzw. dessen Abkömmlingen steht ein Erbrecht nach seinem Vater bzw. dessen Verwandten zu, wenn der Erblasser nach dem 28.5.2009 verstorben ist. Unerheblich ist, ob der Vater des nichtehelichen Kindes oder das nichteheliche Kind bereits vor dem 29.5.2009 verstorben ist.
OLG München, 31. Zivilsenat, Beschluss vom 21. Januar 2013 – 31 Wx 485/12
Sachverhalt
Das Nachlassgericht hat es zu Recht abgelehnt, entsprechend der Anregung der Beschwerdeführerin, einer Verwandten der vierten Ordnung, den Erbschein einzuziehen. Der erteilte Erbschein entspricht der Erbrechtslage. Verfehlt ist hingegen die Auffassung der Beschwerdeführerin, von der Erbfolge nach der am 5.7.2010 verstorbenen Erblasserin sei deren Halbschwester, die nichteheliche Tochter des Vaters der Erblasserin bzw. deren Sohn ausgeschlossen.
1. Durch das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der ZPO und der AO sind für Erbfälle ab dem 29.5.2009 auch die vor dem 1.7.1949 geborenen nichtehelichen Kinder den ehelichen Kindern gleichgestellt worden. Die Erblasserin Annemarie K. ist am 5.7.2010 verstorben, also nach dem 29.5.2009. Für die Erbfolge nach ihr ist deshalb auch die im Jahr 1936 nichtehelich geborene Tochter ihres Vaters bzw. – nachdem diese vorverstorben ist – deren Sohn zu berücksichtigen. Der Todeszeitpunkt des Vaters der Erblasserin – 1950 – spielt ebenso wenig eine Rolle wie der Zeitpunkt des Todes seiner nichtehelichen Tochter 2005. Die Auffassung der Beschwerdeführerin, mit dem Tod des Vaters der Erblasserin im Jahr 1950 seien die erbrechtlichen Rechtsverhältnisse der ehelichen Tochter – der Erblasserin –, und deren Halbschwester, der 1936 geborenen nichtehelichen Tochter, "ein für alle mal und endgültig manifestiert" worden, findet in der gesetzlichen Regelung keine Stütze. Das Zweite Gesetz zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder stellt ausdrücklich auf den Zeitpunkt des konkreten Erbfalls ab, das ist hier der Tod der Erblasserin am 5.7.2010.
2. Die Gesetzesänderung erfasst auch Erbfälle, die sich in der Zeit zwischen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 28.5.2009 und der Verkündung des Zweiten Gesetzes zur erbrechtlichen Gleichstellung nichtehelicher Kinder, zur Änderung der ZPO und AO am 12.4.2011 ereignet haben. Diese Rückwirkung hat der Gesetzgeber als zulässig angesehen, weil die Entscheidung vom 28.5.2009 eine Zäsur darstellt. Ab diesem Zeitpunkt musste damit gerechnet werden, dass sich die Rechtslage ändern und gegebenenfalls Gerichte die noch geltende Regelung unangewendet lassen würden. Nur für vor dem 29.5.2009 eingetretene Erbfälle bleibt es bei der Regelung, dass ein vor dem 1.7.1949 geborenes nichteheliches Kind vom Erbrecht nach dem Vater und dessen Verwandten ausgeschlossen ist (BGH NJW 2012, 231).
3. Aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.10.2011 lässt sich entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht herleiten, dass der Ausschluss eines vor 1949 geborenen nichtehelichen Kindes vom Erbrecht nach seinem Vater bestehen bleibt, wenn der Vater vor dem 29.5.2009 verstorben ist. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass bei der Entscheidung des Bundesgerichtshofs der konkret zu beurteilende Erbfall derjenige des Vaters des nichtehelichen Kindes war, und dieser konkrete Erbfall vor dem 29.5.2009 eingetreten ist. Hier ist hingegen der Erbfall der im Juli 2010 verstorbenen Erblasserin zu beurteilen, und nicht etwa der Erbfall ihres 1950 verstorbenen Vaters.
Aus den Gründen
1. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 1 KostO. Der Senat setzt den Wert an, der auch für die Erteilung des Erbscheins angenommen wurde, dessen Einziehung die Beschwerdeführerin begehrt.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Es reicht für die Zulassung weder aus, dass die hier zu entscheidende konkrete Fallgestaltung noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs war, noch, dass die Beschwerdeführerin es als eine "schwere Grundrechtsverletzung" ansieht, als Verwandte vierter Ordnung durch den in der zweiten Erbordnung berufenen Sohn der nichtehelich geborenen Halbschwester der Erblasserin von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen zu sein. Der Gesetzgeber hat bei der für Erbfälle nach dem 28.5.2009 geltenden Neuregelung eine Abwägung vorgenommen zwischen dem Gebot der Gleichbehandlung nichtehelicher Kinder und den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit. Dass die Beschwerdeführerin die gesetzgeberische Entscheidung für falsch hält, begründet nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde.