Dr. Claus-Henrik Horn/Dr. Ludwig Kroiß

C.H.BECK 2012, 398 Seiten, 75,– EUR

Wer ein Buch mit dem Titel "Testamentsauslegung" erwirbt, hat klare Erwartungen an den Inhalt. Um es vorweg zu nehmen: sie werden lückenlos erfüllt. Tatsächlich geht das im Frühjahr 2012 erschienene Werk von Horn und Kroiß allerdings deutlich über den gewählten Titel hinaus und widmet sich ergänzend der Anfechtung im Erbrecht, dem internationalen Erbrecht sowie dem Komplex außergerichtlicher und gerichtlicher Verfahrensfragen. Eine solche Ergänzung würde man nicht ohne Weiteres vermuten, unabhängig davon, dass die zusätzlichen Kapitel das Werk ebenso praxisrelevant wie praxisgerecht abrunden. Gleichwohl ist der Titel nicht falsch gewählt. Denn er entspricht dem absoluten Schwerpunkt des Werks, mit dem die zusätzlichen Bereiche weder von ihrem Umfang noch von ihrer Tiefe her konkurrieren können und offensichtlich auch nicht sollen.

Das Buch selbst umfasst 383 Text-Seiten. Es ist in fünf Teile gegliedert. Die ersten beiden, von Dr. Claus-Henrik Horn, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht in Düsseldorf, verfassten Teile widmen sich auf 300 Seiten in einer enormen Tiefe und mit großem Detailreichtum der Auslegung letztwilliger Verfügungen (Teil 1) sowie der Auslegung von Ehegattentestamenten und Erbverträgen (Teil 2). In weiteren drei Teilen behandelt Dr. Ludwig Kroiß, Direktor des Amtsgerichts Traunstein, die bereits erwähnten zusätzlichen Bereiche, nämlich die Anfechtung im Erbrecht und hier insbesondere die Anfechtung letztwilliger Verfügungen (Teil 3), Fragen des internationalen Erbrechts (Teil 4) sowie außergerichtliche und gerichtliche Verfahrensfragen (Teil 5). Abgeschlossen wird das Werk durch ein ebenso umfangreiches wie detailliertes Sachverzeichnis.

Inhaltlich arbeitet Horn den Bereich der Testamentsauslegung in hervorragender Weise auf. Die Stärken liegen in der ebenso klaren wie systematischen und vor allem praxisgerechten Struktur und Darstellung. So differenziert Horn absolut zutreffend zwischen der Auslegung einseitiger letztwilliger Verfügungen (Teil 1, Seite 1 bis 221) und der von Ehegattentestamenten und Erbverträgen (Teil 2, Seite 221 bis 301), für die jeweils ihre eigenen Regeln gelten. Beiden Teilen stellt Horn sinnvollerweise jeweils eine allgemeine Einführung voran (vgl. §§ 1 f sowie § 15). Die Einführungen sind für das Verständnis der Auslegung von einseitigen letztwilligen Verfügungen bzw. von Ehegattentestamenten und Erbverträgen wichtig und spiegeln zugleich den klaren Gedankengang bzw. die Herangehensweise von Horn wider. Ebenso sinnvoll ist es, dass Horn sich nach der allgemeinen Einführung intensiv den gesetzlichen Ergänzungs- und Auslegungsregeln gewidmet hat (vgl. § 3). Hierin liegt ein deutlicher Wert des Buchs. Denn zwar kommen die gesetzlichen Ergänzungs- und Auslegungsregeln, die Horn zur Erleichterung des Leseflusses jeweils zu Beginn zitiert, nur und erst dann zur Anwendung, wenn der Erblasserwille nicht durch eine vorrangige individuelle Auslegung zweifelsfrei erforscht und festgestellt werden kann. Hierauf weist Horn zu Recht immer wieder hin. In der Praxis sind aber gerade die Fälle, in denen die Ermittlung des tatsächlichen, des mutmaßlichen oder des hypothetischen Erblasserwillens nicht möglich ist, sehr häufig. Hiervon unabhängig empfiehlt es sich generell, zur Untermauerung der eigenen Argumentation ergänzend auf die gesetzlichen Auslegungsregeln zurückzugreifen.

Praxisrelevant geht Horn schließlich in insgesamt 19 Kapiteln detailliert auf die sich im Bereich der Testamentsauslegung immer wieder stellenden Fragen ein. Beispielsweise arbeitet er die Abgrenzung von Testament zu bloßem Entwurf (§ 4), von Erbe zu Vermächtnis und zu Auflage (§ 5) sowie von Teilungsanordnung zu Vorausvermächtnis (§ 6) auf. Im Bereich der Auslegung von Ehegattentestamenten und Erbverträgen behandelt er etwa die Abgrenzungsfälle zur Feststellung der Wechselbezüglichkeit bei gemeinschaftlichen Testamenten bzw. der Vertragsmäßigkeit erbvertraglicher Verfügungen und zu Änderungsklauseln (§§ 17 f). Die jeweiligen Paragrafen sind ebenso logisch wie klar strukturiert und praxisrelevant aufgebaut. Horn beleuchtet zunächst die Bedeutung für die Praxis sowie die rechtlichen Hintergründe. Anschließend finden sich jeweils Formulierungsbeispiele. In einem weiteren Teil liefert Horn auf der Basis der einschlägigen Rechtsprechung Abgrenzungskriterien, wobei er sich zudem jeweils gesondert mit der Frage der Feststellungs- und Beweislast beschäftigt. Im Ergebnis bietet das Werk sowohl für einen ersten Einstieg eine hervorragende Einleitung wie auch für den Spezialisten, der nach der Lösung einer ganz bestimmten Auslegungsfrage sucht, einen Fundus an Lösungsansätzen und vor allem Fundstellennachweisen. Die Zahl der von Horn berücksichtigten gerichtlichen Entscheidungen dürfte deutlich im vierstelligen Bereich liegen.

Die Ausführungen von Horn sind sehr gut nachvollziehbar, klar strukturiert und umfassend, auch wenn man im Detail die ein...

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