(...) Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Erwerb des Klägers wegen der gegenüber E erbrachten Pflegeleistungen in Höhe von 4.725 EUR steuerfrei ist.
1. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG bleibt ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20.000 EUR steuerfrei, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist. Die Vorschrift regelt nicht den Abzug eines Pauschbetrags, sondern die Berücksichtigung eines Freibetrags (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 1995 II R 80/94, BFHE 178, 218, BStBl II 1995, 784), wobei die mögliche Steuerbefreiung auf maximal 20.000 EUR begrenzt ist. Liegt der Wert der erbrachten Leistungen unter 20.000 EUR, so ist nur ein Erwerb in dieser Höhe steuerfrei.
a) Der Begriff "Pflege gewähren" wird in § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG anders als beispielsweise der Begriff der Hilflosigkeit in § 33 b Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes nicht definiert und muss als steuerrechtliches Tatbestandsmerkmal nach seinem steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung interpretiert werden (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Dezember 1991 2 BvR 72/90, BStBl II 1992, 212, unter 1.a cc). Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck der Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG rechtfertigen eine weite Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals.
b) Nach dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG setzt die Steuerbefreiung u. a. voraus, dass dem Erblasser Pflege gewährt worden ist. Pflege in diesem Sinne ist die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer hilfsbedürftigen Person (vgl. Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 13 Rn 40; Kobor in Fischer/Jüptner/Pahlke/ Wachter, ErbStG, 4. Aufl., § 13 Rn 57; Kien-Hümbert in Moench/Weinmann, § 13 ErbStG, Rn 61; grundlegend Urteil des Reichsfinanzhofs – RFH – vom 5. Juli 1921 I a A 74/21, RFHE 6, 252).
aa) Die Gewährung von Pflege setzt begrifflich eine wegen Krankheit, Behinderung, Alters oder eines sonstigen Grundes bestehende Hilfsbedürftigkeit des Pflegeempfängers voraus (Meincke, aaO, § 13 Rn 40). Dabei reicht es für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG aus, dass die Pflege des Erblassers durch seine Hilfsbedürftigkeit veranlasst war. Es ist nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig iSd § 14 Abs. 1 SGB XI und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zugeordnet war (vgl. Kien-Hümbert, aaO, § 13 ErbStG Rn 61). Denn in § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG wird auf die Vorschriften des SGB XI weder verwiesen noch in sonstiger Weise Bezug genommen.
bb) Weitere Voraussetzung für eine Pflege iSd § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist die Erbringung von Pflegeleistungen. Zu den Pflegeleistungen zählen – in Anlehnung an die in § 14 Abs. 4 SGB XI angeführten Hilfeleistungen – die Unterstützung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z. B. Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (z. B. Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z. B. selbstständiges Aufstehen und Zubettgehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (z. B. Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung). Dazu gehören aber auch weitere, nicht von § 14 Abs. 4 SGB XI erfasste Hilfeleistungen, wie die Erledigung von Botengängen und schriftlichen Angelegenheiten, Besprechungen mit Ärzten, Vorsprachen bei Behörden sowie die seelische Betreuung des Erblassers. Gerade bei hilfsbedürftigen Personen kann es erforderlich sein, dass sie einen Ansprechpartner ihres Vertrauens haben, an den sie sich mit ihren Anliegen wenden können. Das Vorliegen von Pflegeleistungen kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Vertrauensperson als Betreuer nach den §§ 1896 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) bestellt war. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Leistungen regelmäßig und über eine längere Dauer erbracht worden sind (Jochum in Wilms/Jochum, ErbStG, § 13 Rn 108; Kobor, aaO, § 13 Rn 57; Kien-Hümbert, aaO, § 13 Rn 61; Meincke, aaO, § 13 Rn 40). Nur gelegentliche Botengänge oder Besuche, die nicht über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen, reichen nicht aus (vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13 Rn 98). Die erbrachten Leistungen müssen im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben.
c) Die Entstehungsgeschichte und der Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG sprechen ebenfalls für eine weite Auslegung der Steuerbefreiung. Die Vorschrift geht auf § 33 Nr. 4 c des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 10. September 1919 – ErbStG 1919 – (RGBl 1919, 1543) zurück. Im Zusammenhang mit der Auslegung des dort verwendeten Begriffs der "Verpflegung" des Erbl...