Die Beschwerden sind gem. § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. (...) In der Sache haben die Beschwerden keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zu Recht zurückgewiesen.
Die Verfügungen der Erblasserin in dem gemeinschaftlichen Testament vom 19.4.2004 sind aufgrund Widerrufs durch den Ehemann der Erblasserin unwirksam geworden, § 2270 Abs. 1 BGB.
Bei den Verfügungen der Ehegatten in dem genannten Testament handelt es sich insgesamt um wechselseitige Verfügungen im Sinne des § 2270 Abs. 1 BGB.
Wechselbezüglichkeit ist anzunehmen, wenn die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre, wenn also jede der beiden Verfügungen mit Rücksicht auf die andere getroffen worden ist und nach dem Willen der gemeinschaftlich Testierenden die eine mit der anderen stehen oder fallen soll, wobei der Wille der Ehegatten zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich ist (Senat FamRZ 2004, 662 f). Die Wechselbezüglichkeit ist jeweils im Hinblick auf die einzelne letztwillige Verfügung zu prüfen, die die Ehegatten in dem gemeinschaftlichen Testament getroffen haben (BGH NJW-RR 1987, 1410) und ist vorrangig im Wege der individuellen Auslegung ihres gemeinschaftlichen Testaments festzustellen. Die Auslegungsregel des § 2270 Abs. 2 BGB greift demgegenüber erst ein, wenn trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Testamentsauslegung ein übereinstimmender Wille der Ehegatten nicht festgestellt werden kann (Senat aaO). Hier kommt es also darauf an, ob die Verfügung, die die Erblasserin für die Schlusserbfolge getroffenen hat, in diesem Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu einer Verfügung ihres erstverstorbenen Ehemannes steht. Insoweit kommen in Betracht sowohl die Erbeinsetzung der Erblasserin durch ihren Ehemann als auch dessen (gleichlautende) Verfügung für die Schlusserbfolge.
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben unter § 5 der Urkunde ausdrücklich eine umfassende Wechselbezüglichkeit der getroffenen Verfügungen bestimmt. Es liegt eine klare und dem Wortlaut nach eindeutige Formulierung vor. Differenziert wird zwischen den beiden denkbaren Todesfällen unter ausdrücklicher Bestimmung der jeweiligen Wechselbezüglichkeit, deren Bindungswirkung noch gesondert hervorgehoben wird. Entgegen der Beschwerde des Beteiligten zu 6) bedurfte es keiner Differenzierung zwischen den einzelnen Verfügungen und zwischen denkbarer einseitiger und beidseitiger Wechselbezüglichkeit. Denn die Bestimmung ist durch die Verwendung des Wortes "jeweils" und bezogen auf die "in diesem Testament von uns getroffenen Verfügungen" ausdrücklich ohne Einschränkung umfassend und mit beidseitiger Wirkung getroffen worden. Auch aus der Anordnung der Testamentsvollstreckung gem. § 2197 BGB, die nach § 2270 Abs. 3 BGB nicht mit wechselbezüglicher Wirkung getroffen werden kann, folgt entgegen der Beschwerde des Beteiligten zu 6) keine Unklarheit der getroffenen Bestimmung. Denn die umfassend formulierte Bestimmung der Wechselbezüglichkeit ist insoweit lediglich in der Rechtsfolge durch § 2270 Abs. 3 BGB begrenzt (vgl. hierzu auch: Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2270 Rn 2), ohne dass hieraus geschlossen werden könnte, die Ehegatten hätten hinsichtlich der weiteren Verfügungen entgegen dem Wortlaut keine vollständige und beidseitige Wechselbezüglichkeit gewollt (vgl.: Senat FamRZ 2001, 1176 ff).
Anhaltspunkte für einen von der ausdrücklichen Bestimmung der Wechselbezüglichkeit abweichenden Erblasserwillen finden sich nicht. Es ist ausgeschlossen, dass die Testierenden sich nicht darüber im Klaren waren, welche Folgen die Bestimmung der umfassenden Wechselbezüglichkeit nach sich zöge. Denn der als Zeuge vernommene Notar H hat glaubhaft ausgesagt, den Begriff der Wechselbezüglichkeit bei jeder Beurkundung eingehend zu erklären, insbesondere hinsichtlich der Bindungswirkung. Weiter belehre er über die Möglichkeit und die Formbedürftigkeit des Widerrufs und darüber, dass mit einem Widerruf die Verfügung auch des anderen Ehegatten unwirksam ist. Mit Sicherheit habe er auch in dem vorliegenden Fall entsprechend belehrt.
Die Erklärung des Ehemannes in der notarieller Urkunde vom 19.10.2007 (UR-Nr. 1535/2007) stellt entgegen der Beschwerde des Beteiligten zu 1) einen Widerruf im Sinne des § 2271 BGB dar. Es handelt sich ausdrücklich um ein Testament, das sich auf den Widerruf früherer letztwilligen Verfügungen beschränkt (§ 2254 BGB). Über seine anderweitige Erbfolge hat der Erblasser – wie eingangs dargestellt – erst in dem weiteren Testament zu UR-Nr. 1536/2007 verfügt, im Übrigen auch in diesem Testament seine früheren letztwilligen Verfügungen nochmals ausdrücklich widerrufen. Es kann also keine Rede davon sein, dass der Erblasser lediglich eine Reduzierung der Schlusserbenzahl vorgenommen habe, zumal er mit der Art und Weise der von ihm bestimmten Erbfolge auch noch seine Ehefrau enterbt hat.
Der Widerruf erfolgte zu Lebzeiten der Erblasserin und hielt die Formvorschrift des § 2271 ...