Leitsatz
1. Ein Ehegatte kann den Widerruf seiner in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügungen gegenüber dem mit dem Aufgabenkreis der Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten bestellten Betreuer seines Ehegatten erklären.
2. Die Wechselbezüglichkeit der in einem gemeinschaftlichen Testament getroffenen letztwilligen Verfügungen steht regelmäßig der Annahme entgegen, der von einem Widerruf der Verfügungen des anderen betroffene Ehegatte habe seine eigenen Verfügungen hypothetisch auch für diesen Fall fortgelten lassen wollen.
OLG Hamm, Beschluss vom 5. November 2013 – I-15 W 17/13
Sachverhalt
Die Erblasserin war verheiratet mit dem am ... vorverstorbenen X. Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen.
Die Beteiligte zu 2) ist die Schwester der Erblasserin. Die Beteiligte zu 3) ist deren Nichte. Die Beteiligten zu 1) und 4) sind Cousin und Cousine 2. Grades der Erblasserin. Bei den Beteiligten zu 5) und 6) handelt es sich um ein langjährig mit der Erblasserin und deren Ehemann befreundetes Ehepaar. Die Beteiligte zu 7) ist die Tochter der Beteiligten zu 5) und 6) sowie das Patenkind der Erblasserin. Der Beteiligte zu 8) ist Ehemann der Beteiligten zu 7).
Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 1. Dezember 1970 vor dem Notar T in Olpe unter der UR-Nr. 341/1970 ein gemeinschaftliches Ehegattentestament, mit dem sie sich gegenseitig zu alleinigen Erben einsetzten. Als Schlusserben bedachten sie eventuell geborene Kinder oder eventuell angenommene Adoptivkinder und ersatzweise den Beteiligten zu 1) und die Beteiligte zu 4), und zwar mit der Maßgabe, dass der Überlebende die Schlusserbfolge auch anderweitig sollte bestimmen können.
Zur Niederschrift des Notars H in Olpe errichteten die Eheleute am 19.4.2004 unter der UR-Nr. 296/2004 ein weiteres Testament, das auszugsweise folgenden Wortlaut hat:
Zitat
"§ 1 Widerruf "
Alle Verfügungen von Todes wegen, die wir bisher errichtet haben, widerrufen wir hiermit.
§ 2 Erbeinsetzung
1. Wir, die Erschienenen zu eins und zwei, setzen uns gegenseitig, zu alleinigen und unbeschränkten Erben ein.
2. Jeder von uns beruft, sowohl für den Fall, daß er der Längstlebende von uns ist, als auch für den Fall, daß wir gleichzeitig oder kurz hintereinander aus gleichem Anlas versterben, zu seinen Erben die nachgenannten Personen zu gleichen Teilen, somit zu jeweils 1/8 Anteil:
a) Frau I, geb. T1, wohnhaft ...
b) Frau S, geb. I, wohnhaft ...
c) Herr X4, wohnhaft ....
d) Frau H, geb. X4, wohnhaft ...
e) Frau X5, geb. W, wohnhaft ...
f) Herr X7, wohnhaft ...
g) Frau X6, geb. X5, wohnhaft ...
h) Herr X3, wohnhaft ... .
3. Sollte einer der vorgenannten unter a) – h) genannten Erben vor dem Längstlebenden von uns versterben, so bestimmen wir als Ersatzerben für diese dessen/deren ehelichen Abkömmlinge zu gleichen Teilen. Sollte einer der unter a) – h) genannten Erben kinderlos vorversterben, so soll dessen/deren Anteil den verbleibenden Erben zu gleichen Teilen anwachsen.
§ 3 Auflagen
(...)
§ 4 Testamentsvollstreckung
(...)
§ 5 Bindung
Die in diesem Testament von uns getroffenen Verfügungen sollen jeweils sowohl für den ersten als auch für den zweiten Todesfall wechselbezüglich und daher bindend sein. Sie können somit insgesamt nur gemeinschaftlich oder durch Widerruf geändert werden. Über die Möglichkeiten des Widerrufs wurden wir von dem beurkundenden Notar belehrt.“
Durch Beschluss des Amtsgerichts Olpe vom 14.8.2007 wurde die Beteiligte zu 4) zur Betreuerin für die Erblasserin bestellt, u. a. mit den Aufgabenkreisen Behördenangelegenheiten, Haus- und Grundstücks- und Vermögensangelegenheiten sowie Renten-, Post- und Versicherungsangelegenheiten. Am 19. Oktober 2007 widerrief der Ehemann der Erblasserin vor dem Notar W. in C unter der UR-Nr. 1535/2007 das vorgenannte Testament wie folgt:
Zitat
"Vor mir, W. Notar in C, erschienen: "
als Testator:
Herr X, ... als Betreuerin für die Ehefrau des Testators:
Frau H, geb. X4, ... hier handelnd nicht im eigenen Namen sondern als Betreuerin für Frau X2, geb. Schwarz, ...,
dem Notar ausgewiesen durch die amtlichen Ausweispapiere.
Der erschienene Herr X erklärte:
Ich bin deutscher Staatsangehöriger. Zeugen sollen zu dieser Verhandlung nicht hinzugezogen werden.
Der Notar überzeugte sich durch die Verhandlung von der erforderlichen Geschäfts- und Testierfähigkeit des Erblassers.
Der Beteiligte ist sehr schwerhörig, kann aber schreiben und lesen. Der Notar belehrte ihn darüber, daß die Zuziehung eines Zeugen oder eines zweiten Notars erforderlich ist, wenn er nicht darauf verzichtet. Der Beteiligte verzichtet daraufhin auf die Zuziehung eines Zeugen oder eines zweiten Notars.
Einseitiger Widerruf eines gemeinsamen
notariellen Testaments
Ich habe am 14.4.2004 unter der URNR. 0296/2004 des Notars H in Olpe mit meiner Ehefrau X2, geborene T, geb. ... ein gemeinschaftliches Testament errichtet. Meine darin enthaltenen Verfügungen widerrufe ich.
Der gemeinsame Nachlaßwert beträgt EUR 200.000,–
Entgegennahme des Widerrufs
Frau H, handelnd wie angegeben, nimmt den Widerruf für die B...