Im Zusammenhang mit dem Europäischen Nachlasszeugnis, einem der Kernanliegen der EU-ErbVO zur Vereinfachung der Abwicklung von internationalen Nachlassangelegenheiten, soll auf folgende Aspekte hingewiesen werden:
10.1. Zuständigkeit für die Erteilung
Nach Art. 64 EU-ErbVO hatten die Mitgliedstaaten gemäß Art. 78 bis zum 16.1.2014 der Kommission mitzuteilen, welches Gericht oder welche andere Behörde für die Erteilung des ENZ zuständig ist.
Auch wenn dies von Frankreich, wie von vielen anderen Mitgliedstaaten, bisher versäumt worden ist, besteht kein ernsthafter Zweifel, dass diese Zuständigkeit in Frankreich im Ergebnis bei den Notaren liegen wird.
Dies lässt angesichts der chronischen Arbeitsüberlastung, unter der die meisten französischen Notare leiden, indessen Zweifel an der nach Art. 67 I EU-ErbVO grundsätzlich gebotenen Schnelligkeit der Ausstellung des Zeugnisses aufkommen und es bleibt zu hoffen, dass das französische Notariat hier Mittel und Wege findet, entsprechende Kapazitäten freizustellen bzw. aufzubauen.
Unabhängig davon ist aber unklar, wie bei einer Zuständigkeit des Notariats die Zuständigkeitsregel des Artikels 64 EU-ErbVO zu verstehen ist.
Nach Art. 64 folgt die Zuständigkeit für die Erteilung des ENZ den Zuständigkeiten nach den Art. 4 ff der Verordnung.
Folgt daraus nun, dass beispielsweise ein französischer Notar am Ort des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers sich bei einem Antrag eines Beteiligten, z. B. einem Miterben, auf Erteilung eines ENZ nach Art. 6 a) EU-ErbVO für unzuständig erklären könnte, wenn der Erblasser ein fremdes Recht nach Art. 22 der Verordnung gewählt hat und ein solcher Antrag auf Erklärung der Unzuständigkeit von einem anderen Beteiligten, z. B. einem, der wie ein weiterer Miterbe nach Art. 66 Abs. 4 EU-ErbVO anzuhören ist, gestellt wird?
Hat weiterhin der französische Notar umgekehrt seine Zuständigkeit zu akzeptieren, wenn die "Verfahrensparteien" (welche? – alle die nach Art. 66 Abs. 4 EU-ErbVO anzuhören sind?) diese vereinbart haben?
Wie ist andererseits zu verfahren, wenn die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung infrage steht?
Zu all diesen Fragen fehlen, soweit ersichtlich, bisher weiterführende Hinweise und möglicherweise wird es auch hier erst der EuGH sein, der die notwendigen Klärungen herbeiführen wird.
10.2. Ermittlung des ausländischen Rechts
Dieses Problem wird sich ergeben, falls aufgrund entsprechender Rechtswahl bei entsprechender Aufenthaltszuständigkeit ein vom Recht des letzten Aufenthaltsortes abweichendes Recht anzuwenden ist.
Einzuräumen ist insoweit allerdings, dass das französische Notariat mit seinen Notarinstitut CRIDON und die europäischen Notariate insgesamt über ihr Netzwerk Notaries of Europe/Conseil des notariats de l‘Union Européenne und darin eingegliedert ihrem Netzwerk European Notariel Network ENN/Réseau Notariel Européen RNE bereits über gute Erkenntnisquellen verfügen, die im Zuge der Anwendung der EU-ErbVO sicherlich noch weiter ausgebaut werden, sodass die Problematik der Ermittlung ausländischen Rechts zumindest im Regelfall keine allzu große Hürde für die Erteilung des ENZ darstellen sollte.
10.3. Kosten des ENZ
Hierzu enthält die EU-ErbVO keine Bestimmungen. Unter europarechtlichen Gesichtspunkten dürfte es aber geboten sein, hier nur geringe Kosten zu erheben. Weiterhin dürfte es wohl unzulässig sein, die Kosten nach dem Wert des Nachlasses zu staffeln, wie dies andernfalls bei den gesetzlichen Gebühren der französischen Notare für die nachfolgend in anderen Zusammenhang erwähnten Grundstückbescheinigungen ("attestations immobilières") der Fall ist. Konkrete Vorschläge hierzu sind im Moment aber noch nicht bekannt.
10.4. Reichweite der Wirkungen des ENZ nach Art. 69 EU-ErbVO
Hier wird es insbesondere um die Frage gehen, ob das ENZ als ausreichend angesehen wird, um in den öffentlichen Grundstücksregistern die entsprechenden Berechtigungen bzw. Umschreibungen zu erreichen, oder ob insoweit weiterhin, daneben, eine notarielle Immobilienbescheinigung "attestation immobilière", deren Kosten wegen der Orientierung am Grundstückswert schnell mehrere tausend Euros verursachen können, verlangt werden dürfen.
Hier stehen im Ergebnis die Bestimmungen des Artikels 69 EU-ErbVO, wonach das ENZ eine umfassende Wirkung für sich in Anspruch nehmen kann, mit Art. 1 Abs. 2 lit. l) EU-ErbVO im Widerstreit, wonach jede Eintragung von Rechten an beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenstän...