2.1. Anwendungskonsequenzen bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts
Welche Anwendungskonsequenzen sich aus dieser unterschiedlichen Behandlung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen einerseits wie der Nichtberücksichtigung des Staatsangehörigkeitsprinzips andererseits ergeben können, wird nachfolgend beispielhaft an drei deutsch-französischen Fallgestaltungen aufgezeigt, wobei diese Folgen für Altfälle, also für solche, bei denen der Erbfall vor dem 17.8.2015 eingetreten ist, oder eintretten wird, weiterhin relevant bleiben.
Fall 1: Deutscher mit letztem Wohnsitz in Frankreich und beweglichem Vermögen in beiden Ländern In diesem Fall wäre aus deutscher Sicht angesichts der Staatsangehörigkeit einheitlich deutsches Recht, aus französischer Sicht aufgrund des letzten Wohnsitzes hingegen einheitlich französisches Recht anzuwenden. Würde ein entsprechender Erbfall in beiden Ländern durchprozessiert, würde dies zu dem unerfreulichen Ergebnis sich widersprechender Entscheidungen führen, die im jeweils anderen Land nicht anerkannt würden, was zu einer faktischen Nachlassspaltung bereits bei der Behandlung dieses beweglichen Vermögens führen würde.Fall 2: Deutscher mit letztem Wohnsitz in Deutschland, aber unbeweglichem Vermögen in beiden Ländern Hier ist für das in Deutschland belegene, unbewegliche Vermögen, aus deutscher Sicht aufgrund der Staatsangehörigkeit, aus französischer Sicht aufgrund der Belegenheit, deutsches Recht anwendbar, für das in Frankreich belegene unbewegliche Vermögen hingegen französisches Recht; aus deutscher Sicht dabei als Folge aus Art. 3 a II EGBGB, wonach für unbewegliches Vermögen das vom französischen Recht beanspruchte Belegenheitsstatut akzeptiert wird. Es kommt somit zu einem typischen Fall der Nachlassspaltung. Fall 3: Deutscher mit letztem Wohnsitz in Frankreich sowie unbeweglichem und beweglichem Vermögen in beiden Ländern. Bei dieser Kombination der Fälle 1 und 2, setzt sich die im Fall 2 hinsichtlich beider Immobilien erörtete Nachlassspaltung aus den im Fall 1 erörterten Gründen in faktischer Hinsicht beim beweglichem Vermögen fort.
2.2. Anwendungskonsequenzen soweit danach französisches Erbrecht anwendbar ist
Kommt nach den vorgenannten Regeln französisches Recht zur Anwendung, so bedeutet dies, dass der gesamte, dem französischen Recht unterliegende Nachlass, als eigenständiger Nachlass ohne Berücksichtigung des sonstigen Nachlasses, abzuhandeln wäre.
Stehen einem gesetzlichen Erben nach französischem Recht beispielsweise höhere Pflichtteilsansprüche zu als nach deutschem Recht, so wie dies bei Kindern der Fall ist, erhält dieser, so im Beispielsfall 2., bezogen auf das französische Grundstück diesen höheren Anteil, während er am deutschen Grundstück den geringeren, sich nach deutschem Recht ergebenden Anteil erhält, ohne dass insoweit eine Kompensation stattfinden würde.
Noch markanter ist der Unterschied für den überlebenden Ehegatten, dem nach französischem Recht bei Vorhandensein von Abkömmlingen überhaupt kein Pflichtteilsanspruch zusteht, sondern der bis auf ein einjähriges Wohnrecht an einer gemeinsam genutzten, zum Nachlass gehörenden Ehewohnung und einen etwaigen Unterhaltsanspruch bei Bedürftigkeit vollkommen von erbrechtlichen Ansprüchen ausgeschlossen werden kann.
Diese Rechtsfolgen können derzeit auch nicht durch eine antizipierende Rechtswahl vermeiden werden, da das französische Recht bis heute eine solche Rechtswahl nicht kennt. Die Zulassung einer solchen Rechtswahl mit der EU-ErbVO stellt deshalb einen weiteren Paradigmenwechsel im französischen Rechtssystem dar.