Hier ist insbesondere der Fall zu nennen, in dem es durch Rechtswahl zu einem vollständigen Ausschluss von Pflichtteilsansprüchen kommen würde, die andernfalls, nach dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, bestehen würden. Dies betrifft insbesondere die angelsächsischen Rechtsordnungen wie die des Vereinigten Königreichs und Irlands. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Pflichtteilsrechte in Frankreich lange Zeit als absolut unverzichtbar angesehen worden sind.
Diese Ansicht kann darüber hinaus zumindest auch darauf verweisen, dass der Verordnungsgeber in Erwägungsgrund 26 ausdrücklich erwähnt hat, dass diese Verordnung die Gerichte nicht daran hindert, gegen Fälle der Gesetzesumgehung ("fraude à la loi") vorzugehen, die die französische Rechtsprechung in der Vergangenheit gerade auch in den Fällen gesehen hat, in denen über eine gezielte Rechtswahl Pflichtteilsrechte komplett ausgehebelt werden sollten.
Auch soweit kein Sachverhalt in Rede steht, der als Gesetzesumgehung in dem Sinne qualifiziert werden kann, sondern man sich bei Fallgestaltungen befindet, die die Eu-ErbVO versucht im Erwägungsgrund 58 zu erfassen, eröffnet sich aus französischer Sicht Diskussionsbedarf.
Ein sehr anschaulicher Fall ist hierzu gerade in den französischen Instanzen anhängig und soll deshalb nachfolgend etwas ausführlicher geschildert werden.
Der Fall Michel ColombierMichel Colombier war ein berühmter französischer Filmkomponist, der im Jahr 2004 an einer Krebserkrankung in den USA, wohin er im Jahr 1975 übergesiedelt war, verstorben ist. Michel Colombier hat aus drei Ehen insgesamt sechs Kinder hervorgebracht, davon zumindest die drei Kinder aus der ersten Ehe mit französischer Staatsbürgerschaft. Am 14.2.1999 verfügte Michel Colombier durch ein in den USA errichtetes und registriertes Testament, dass im Falle seines Todes sein gesamtes Vermögen an die Colombier Familienstiftung gehen sollte. Am 16.2.1999 brachten Michel Colombier und seine dritte Ehefrau ihr gesamtes Vermögen in eine Stiftung dergestalt ein, dass der überlebende Ehegatte Alleinbegünstigter des gesamten Vermögens sein sollte, bei dessen Ableben die beiden aus dieser Beziehung hervorgegangenen Kinder. Nach dem Tode von Michel Colombier machten seine aus der ersten Beziehung stammende drei Kinder im Jahr 2006 eine Klage beim Landgericht Paris anhängig, in der sie, gestützt auf Art. 2 des Gesetzes vom 14.7.1819 geltend machten, aufgrund der so gewählten Gestaltung des Testaments wie der Stiftung seien ihnen sämtliche Rechte am Nachlass, einschließlich ihrer aus französischer Sicht bestehenden Pflichtteilsrechte entzogen, weshalb sie an dem in Frankreich belegenen Nachlass, insbesondere aus Urheberrechten, so viel verlangen könnten, wie ihnen bei einer Pflichtteilsberechnung, bezogen auf den Weltnachlass, zustehen würde.
Bezüglich dieses sogenannten "droit de prélèvement" wandte die Ehefrau ein, diese Bestimmung, da sie ausschließlich zugunsten französischer Staatsangehöriger gelte, verstoße wegen ungerechtfertigter Diskriminierung gegen die französische Verfassung und verlangte, das Landgericht möge dies dem französischen Verfassungsgericht ("conseil constitutionnel") zur Prüfung vorlegen.
Diesem Antrag entsprach das Gericht, worauf der Verfassungsgerichtshof am 5.8.2011 dann tatsächlich entschied, dass diese Bestimmung mit der französischen Verfassung unvereinbar sei.
In seiner Entscheidung hat der Verfassungsgerichtshof dem französischen Gesetzgeber zwar grundsätzlich die Befugnis zugestanden, Ausgleichsmaßnahmen für den Fall zu schaffen, dass ein ausländisches Erbstatut einen ausländischen Erben gegenüber einem französischen Erben begünstigt, eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung aber darin gesehen, einen solchen Ausgleich nur für französische Staatsangehörige vorzusehen.
Im landgerichtlichen Verfahren wandten die drei klagenden Kinder daraufhin zunächst ein, diese Entscheidung berühre keine Altfälle, machten nunmehr aber vor allem geltend, der Pflichtteilsentzug verstoße als solches zudem gegen den internationalen ordre public.
In seinem Urteil vom 10.7.2013 entschied das Landgericht zum einen, der Ausspruch des Verfassungsgerichtshofs gelte, da der Verfassungsgerichtshof insoweit nichts Abweichendes bestimmt habe, auch für Altfälle und ein Verstoß gegen den internationalen ordre public läge nicht vor. Im Rahmen der Frage des ordre public-Verstoßes hat sich das Gericht dann zum einen mit der bisherigen Rechtsprechung mit dem Ergebnis auseinandergesetzt, ein ordre public-Verstoß lasse sich daraus nicht ableiten und darüber hinaus habe sich die Rechtslage inzwischen auch in Frankreich weiterentwickelt. In diesem Zusammenhang zitiert das Gericht dann zum einen das Reformgesetz vom 23.6.2006, mit dem der geschädigte Pflichtteilsberechtigte auf einen Geldanspruch, statt seinem bisherigen Anspruch der Herabsetzung in Natur, verwiesen worden ist, zum anderen aber auch die EU-ErbVO, wobei dem Gericht allerdings leider ei...