1. Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts
Auch wenn insbesondere die Erwägungsgründe 23 und 24 der Verordnung einen ganzen Katalog von Kriterien aufstellen, die bei der Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts herangezogen werden sollen, sind in Einzelfällen schwierige Abgrenzungsfragen zu erwarten. Diese sind natürlich verordnungsimmanent, somit kein spezifisch französisches Problem, und es bleibt zu hoffen, dass der EuGH hier möglichst früh Gelegenheit bekommt, ergänzend klärend einzugreifen.
Der Rechtspraktiker wird zur Vermeidung insoweit sicherlich in vielen Fällen dem Erblasser empfehlen, eine Rechtswahl zu treffen, wobei aber nur die Wahl des Rechts der eigenen, derzeitigen oder zukünftigen Staatsangehörigkeit in Betracht kommt, somit unter anderem das Recht am derzeitigen gewöhnlichen Aufenthalt ausscheidet, was bedauerlich erscheint.
2. Ausschluss des ehelichen Güterrechts
Der Ausschluss des ehelichen Güterrechts aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (Art. 1 Abs. 2 lit. b) wird unter anderem dazu führen, dass es bei Erbfällen, die deutsche Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft betreffen, bezüglich der Anwendbarkeit des § 1371 Abs. 1 BGB, wonach sich im Falle der Beendigung des Güterstands durch den Tod eines Ehegatten bei gesetzlicher Erbfolge der Erbteil des überlebenden Ehegatten automatisch um ein Viertel erhöht, beim Status quo verbleiben und damit dessen Anerkennung bis auf weiteres dahin versagt bleiben wird, wenn französisches Erbstatut maßgeblich ist. Auch wenn sich die Rechtsprechung, soweit ersichtlich, bisher zu dieser Problematik nicht geäußert hat, befürworten Literatur und notarielle Praxis für diesen Fall hingegen klar die Durchführung eines rechnerischen Zugewinnausgleichs, wobei die Pauschalerhöhung als güterrechtlich verstanden wird, deren Anerkennung daran scheitert, dass das maßgebliche französische Erbrecht eine solche Pauschalerhöhung schlicht nicht kennt. Diese Prognose wird noch dadurch verfestigt, dass nach den Regelungen zum EU-Nachlasszeugnis (ENZ) gemäß Art. 68 lit. h) Angaben zum ehelichen Güterstand getrennt von denen zum Erbteil eines jeden Erben, geregelt in Art. 68 lit. l), behandelt werden. Dementsprechend differenziert die soeben ergangene Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9.12.2014 zur Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der EU-ErbVO jetzt im Formblatt V, das das ENZ betrifft, sowie in den Anlagen III und IV auch nach diesen unterschiedlichen Gesichtspunkten.
Andererseits lässt sich sagen, dass diese Problematik bei entsprechender deutscher Staatsangehörigkeit, aktuell oder zukünftig, nunmehr auch aus französischer Sicht durch eine entsprechende Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbstatuts nach Art. 22 Abs. 1 EU-ErbVO, verbunden mit entsprechender Testamentsgestaltung, vermieden werden kann.
3. Ordre public
Auch wenn Art. 35 der Verordnung den ordre public-Vorbehalt bewusst restriktiv formuliert und deshalb für die Nichtanwendbarkeit einer Bestimmung dieser Verordnung eine "offensichtliche Unvereinbarkeit" mit dem ordre public des angerufenen Gerichts verlangt, war und ist auch weiter zu erwarten, dass hierzu in Frankreich Diskussionen aufkommen werden, die aus der Perspektive anderer Rechtsverordnungen anhand dieses restriktiven Kriteriums als überraschend angesehen werden könnten.
3.1. Ordre public und Pflichtteilsrechte
Hier ist insbesondere der Fall zu nennen, in dem es durch Rechtswahl zu einem vollständigen Ausschluss von Pflichtteilsansprüchen kommen würde, die andernfalls, nach dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, bestehen würden. Dies betrifft insbesondere die angelsächsischen Rechtsordnungen wie die des Vereinigten Königreichs...