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Die auf Erbfälle ab dem 17.8.2015 anzuwendende EU-ErbVO bringt für die französische Erbrechtspraxis einen weitreichenden Paradigmenwechsel mit sich. Daraus werden neue Problembereiche und Fragen resultieren. Der Beitrag untersucht diese verschiedenen Aspekte mit Blick auf einen deutsch-französischen Erbfall.
A. Folgen der EU-ErbVO für die französische Erbrechtspraxis
I. Aufhebung der seit dem 19. Jahrhundert im französischen Rechtssystem fest verankerten Nachlassspaltung
Frankreich war bisher eines der Länder – und wird es außerhalb des Anwendungsbereichs der EU-ErbVO auch auf Weiteres bleiben, das die Frage des anwendbaren Rechts unterschiedlich danach beurteilt, ob es sich um bewegliches oder unbewegliches Vermögen handelt. Aus dieser unterschiedlichen Anknüpfung resultiert in vielen Fällen eine sogenannte "Nachlassspaltung", die dann regelmäßig zu einer erheblichen Komplexität bei der Nachlassabwicklung führt.
Dem über eine einheitliche Anwendung des Rechts des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Erblassers oder des von ihm gewählten Rechts jeweils auf den gesamten Nachlass (Art. 21 bzw. Art. 22) mit einer entsprechenden Konzentration der für die Nachlassabwicklung zuständigen Gerichte bzw. Behörden (Art. 4 ff), entgegenzutreten, ist deshalb auch eines der erklärten Ziele der EU-ErbVO.
Um die Tragweite und Bedeutung dieser Zielsetzung besser zu verstehen, werden nachfolgend nochmals kurz die Regeln des französischen IPR dargestellt, die zu einer solchen Nachlassspaltung wie der damit verbundenen Komplikationen führen können.
1. Trennung nach beweglichem und unbeweglichem Vermögen
Das französische IPR, das nahezu ausschließlich auf Richterrecht beruht, unterscheidet streng nach beweglichem und unbeweglichem Vermögen. Für bewegliches Vermögen gilt nicht, wie beispielsweise in Deutschland und in Österreich, das Staatsangehörigkeitsprinzip, sondern das Wohnsitzprinzip, das somit also als generelles Anknüpfungskriterium durch die EU-ErbVO im Kern übernommen worden ist, während für unbewegliches Vermögen ausschließlich an das Recht des Belegenheitsstaates angeknüpft wird.
2. Anwendungskonsequenzen der unterschiedlichen Anknüpfung
2.1. Anwendungskonsequenzen bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts
Welche Anwendungskonsequenzen sich aus dieser unterschiedlichen Behandlung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen einerseits wie der Nichtberücksichtigung des Staatsangehörigkeitsprinzips andererseits ergeben können, wird nachfolgend beispielhaft an drei deutsch-französischen Fallgestaltungen aufgezeigt, wobei diese Folgen für Altfälle, also für solche, bei denen der Erbfall vor dem 17.8.2015 eingetreten ist, oder eintretten wird, weiterhin relevant bleiben.
Fall 1: Deutscher mit letztem Wohnsitz in Frankreich und beweglichem Vermögen in beiden Ländern In diesem Fall wäre aus deutscher Sicht angesichts der Staatsangehörigkeit einheitlich deutsches Recht, aus französischer Sicht aufgrund des letzten Wohnsitzes hingegen einheitlich französisches Recht anzuwenden. Würde ein entsprechender Erbfall in beiden Ländern durchprozessiert, würde dies zu dem unerfreulichen Ergebnis sich widersprechender Entscheidungen führen, die im jeweils anderen Land nicht anerkannt würden, was zu einer faktischen Nachlassspaltung bereits bei der Behandlung dieses beweglichen Vermögens führen würde.Fall 2: Deutscher mit letztem Wohnsitz in Deutschland, aber unbeweglichem Vermögen in beiden Ländern Hier ist für das in Deutschland belegene, unbewegliche Vermögen, aus deutscher Sicht aufgrund der Staatsangehörigkeit, aus französischer Sicht aufgrund der Belegenheit, deutsches Recht anwendbar, für das in Frankreich belegene unbewegliche Vermögen hingegen französisches Recht; aus deutscher Sicht dabei als Folge aus Art. 3 a II EGBGB, wonach für unbewegliches Vermögen das vom französischen Recht beanspruchte Belegenheitsstatut akzeptiert wird. Es kommt somit zu einem typischen Fall der Nachlassspaltung. Fall 3: Deutscher mit letztem Wohnsitz in Frankreich sowie unbeweglichem und beweglichem Vermögen in beiden Ländern. Bei dieser Kombination der Fälle 1 und 2, setzt sich die im Fall 2 hinsichtlich beider Immobilien erörtete Nachlassspaltung aus den im Fall 1 erörterten Gründen in faktischer Hinsicht beim beweglichem Vermögen fort.