Das Erbrecht kennt eine Regelung des Ausgleichs von Pflegeleistungen seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Rechtsstellung der nichtehelichen Kinder von 1969. § 2057a BGB gilt nur für Erbfälle nach dem 30.6.1970, Art. 12 § 10 Abs. 1 NEhelG. Ein Demografie-Problem und eine Pflegeproblematik standen damals aber nicht im Fokus. Hintergrund für die neue Regelung war etwas ganz anderes: Wegen der erstmals realisierten (weitgehenden) erbrechtlichen Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern schien dem Gesetzgeber eine neue Gerechtigkeitslücke entstanden zu sein: Mitarbeit in Haushalt oder Betrieb der Eltern und insbesondere auch Pflegeleistungen würden typischerweise nur von ehelichen Kindern erbracht; ohne ihre ausgleichende Berücksichtigung bei der Nachlassverteilung würde es zur Benachteiligung der ehelichen gegenüber nichtehelichen Kindern kommen. Zudem ging der damalige Gesetzgeber davon aus, es komme gerade in bäuerlichen und kleingewerblichen Familien vor, dass einige Kinder stärker als andere im elterlichen Betrieb unentgeltlich mitarbeiten müssten, die dann nicht selten auch die Eltern unter Verzicht auf berufliches Einkommen pflegen würden. Hier gebe es also eine weitere Gerechtigkeitslücke.
Allerdings sah § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB in der Ursprungsfassung die Ausgleichungspflicht nur für Abkömmlinge vor, die den Erblasser "unter Verzicht auf berufliches Einkommen" während längerer Zeit gepflegt hatten. Eine Ausgleichung für den gerade auch damals sicher häufigeren Fall, dass ein Abkömmling die Pflege erbringt, der keiner beruflichen Tätigkeit nachgeht, hat man offenbar Ende der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten nicht als notwendig angesehen. Die Vorstellung ging dahin, mit dem besonderen Erfordernis des Verzichts auf berufliches Einkommen die ausgleichungspflichtige Pflege der Eltern abzugrenzen von der "üblichen" Hilfeleistung, die eine Ausgleichung nicht erfordern würde. Wer "nicht berufstätig oder berufswillig" sei, verzichte nicht auf Einkommen und sei deshalb nicht ausgleichungsberechtigt.
Es liegt auf der Hand, dass sich der gesellschaftliche Hintergrund für die Regelung zwischenzeitlich gravierend gewandelt hat. Die Einschränkung "unter Verzicht auf berufliches Einkommen" ist dennoch erst zum 1.1.2010 mit dem Gesetz zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts vom 24.9.2009 aus § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB gestrichen worden. Der Umfang der Fallgestaltungen, die sich unter die Vorschrift subsumieren lassen, hat sich dadurch sicherlich beträchtlich erhöht. Es werden jetzt nicht nur die nicht berufstätigen Abkömmlinge erfasst, wenn sie Pflegeleistungen erbringen, sondern auch diejenigen, die neben ihrer beibehaltenen beruflichen Tätigkeit die Pflege ihrer Eltern übernehmen. Das ist eine durchaus wichtige Änderung der Norm. Im Mittelpunkt steht jetzt nicht mehr der berufliche Nachteil, der ausgeglichen werden soll, sondern die Pflegeleistung des Abkömmlings als solche. Erst jetzt ist als wesentliche Zielrichtung des Gesetzgebers deutlich erkennbar, dass die private Pflege durch Abkömmlinge im Interesse der Pflegebedürftigen am Verbleib in ihrem familiären Umfeld und zur Vermeidung von Heimunterbringung gefördert werden soll.
Der Blick auf diese heutige Regelung wirft aber dennoch die Frage auf, warum weiterhin so viele Fallgestaltungen pflegender Angehöriger nicht erfasst werden – etwa die pflegenden Ehe- und Lebenspartner der Erblasser oder die Geschwister und sonstigen pflegenden Verwandten. Geht es um den Ausgleich von Pflegeleistungen aus diesem Personenkreis und fehlt eine (dann besonders sinnvolle) testamentarische Lösung, muss nach anderen Anspruchsgrundlagen – dann wegen der insoweit notwendigen Voraussetzungen nicht selten ohne Erfolg – gesucht werden. Geprüft werden muss vor allem, ob – ggf. konkludent – ein Dienstvertrag abgeschlossen worden sein könnte. Gedacht werden kann auch an einen Anspruch aus GoA.
In den 2008/2009 diskutierten Entwürfen des Gesetzes zur Änderung des Erb- und Verjährungsrechts war zunächst ein wesentlich größerer Kreis von begünstigten pflegenden Angehörigen vorgesehen, nämlich in einem damals noch geplanten § 2057b BGB. Danach sollte jeder gesetzliche Erbe, der den Erblasser während längerer Zeit gepflegt hatte, bei der Auseinandersetzung die Ausgleichung seiner Leistung verlangen können. Zudem ist seinerzeit auch diskutiert worden, die Höhe des Ausgleichungsbetrags deutlicher und berechenbar vorzugeben. In dem Entwurf war vorgesehen, den Ausgleich in der Regel nach den zur Zeit des Erbfalls in § 36 Abs. 3 SGB XI vorgesehenen Beträgen (häusliche Pflegesachleistung, also die Beträge für professionelle Pflege) zu bemessen. All das ist letztlich aber nicht Gesetz geworden, was hinsichtlich des Kreises der Berechtigten mit dem Grundkonzept der Regelung im Rahmen der Ausgleichungsvorschriften zusammenhängt. Bei der Ausgleichung geht es nämlich um Herstellung von Gerechtigkeit unter den Abkömmlingen des Erblasse...