Die zentrale Problematik des § 2057a BGB liegt in der ungewöhnlichen Anhäufung unbestimmter Rechtsbegriffe und notwendiger richterlicher Wertungen. Das macht die Einschätzung der Rechtslage und des möglichen Ergebnisses eines etwa zu führenden Rechtsstreits in der anwaltlichen Beratungsarbeit schwierig und führt wohl auch zu dem Unbehagen, was von manchem Kommentator zum Ausdruck gebracht wird. Drei Bereiche sind vornehmlich mit Unsicherheiten behaftet:
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Zunächst fordert § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB eine Pflege "während längerer Zeit"; |
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diese Pflegeleistung muss nach § 2057a Abs. 1 S. 1 BGB zur Mehrung oder Erhaltung des Erblasservermögens "in besonderem Maße" beigetragen haben; |
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schließlich ist die Höhe der Ausgleichung nach § 2057a Abs. 3 BGB so zu bemessen, "wie es mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen und auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht". |
a) Vorab: Was sind Pflegeleistungen?
Juristen arbeiten gerne mit exakten Definitionen. Geht es um die in § 2057a Abs. 1 S. 1 BGB aufgeführten Begriffe "Mitarbeit in Haushalt, Beruf und Geschäft", lassen sich solche Definitionen auch den Kommentierungen und der Rechtsprechung entnehmen. Umso auffallender ist das Fehlen einer Definition, wenn es um die Frage geht, was unter Pflegeleistungen im Sinne von § 2057a Absatz 1 S. 2 BGB zu verstehen ist. In den Kommentierungen wird immerhin zutreffend darauf hingewiesen, dass Pflegeleistungen der in S. 1 von Abs. 1 der Norm angesprochenen Mitarbeit des Abkömmlings im Haushalt, Beruf oder Geschäft des Erblassers gleichgestellt seien. Pflegeleistungen sollen sich zudem dadurch auszeichnen, dass sie dem Erblasser in Person erbracht werden.
In der Rechtsprechung werden Pflegeleistungen und Ausgleichungsansprüche gerade – wenn auch nicht ausschließlich – in Fällen angenommen, wo der Erblasser in Pflegestufen nach dem SGB XI eingestuft war. Es liegt deshalb nahe, unter Pflegeleistungen im Sinne von § 2057a BGB auch solche Leistungen zu verstehen, die im Rahmen des Begriffes der Pflegebedürftigkeit in § 14 SGB XI aufgeführt werden. Dort wird auf die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens abgestellt, für die Pflegebedürftige Hilfe bedürfen. § 14 Abs. 4 SGB XI nennt wiederkehrende Verrichtungen im Bereich der Körperpflege, nämlich das Waschen, Duschen/Baden, Zahnpflege, Kämmen etc., daneben aber auch solche im Bereich der Ernährung, wie das mundgerechte Zubereiten oder die Aufnahme der Nahrung etc., oder solche im Bereich der Mobilität, wie das Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, und schließlich solche im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung, wie das Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung.
All das fällt unter den Begriff der Pflegeleistung im Sinne von § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB, mithin gerade auch die genannten hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, die dem Pflegebedürftigen in seiner Person zugutekommen. Weil nach Sinn und Zweck von § 2057a BGB aber beabsichtigt ist, im Interesse der Pflegebedürftigen eine Heimunterbringung oder eine Versorgung durch fremde professionelle Kräfte möglichst zu vermeiden, ist nach der Rechtsprechung des OLG Schleswig zusätzlich auch die bloße Anwesenheit des Abkömmlings als Teil der Pflegeleistung im Sinne der Norm anzusehen, soweit er nämlich für Gespräche einerseits und für die Sicherheit des Pflegebedürftigen im Fall plötzlich notwendig werdender Hilfe andererseits zur Verfügung steht.
b) Pflegeleistungen "während längerer Zeit"
Wie versteht die Rechtsprechung eine Pflege "während längerer Zeit"? Bei dem Ausgangsfall, wo zweieinhalb Jahre gepflegt wurde, ist dieses Erfordernis ersichtlich erfüllt. Gilt das aber auch dann, wenn ein Kind in seiner Urlaubszeit für vier Wochen den Vater pflegt, etwa als Ersatz für den Ausfall einer anderen Pflegeperson?
Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs zur Lösung dieser Frage kann der Rückgriff auf Sinn und Zweck der Norm helfen: Es soll Gerechtigkeit unter den Abkömmlingen hergestellt werden, indem derjenige einen Ausgleich erhält, der über das übliche Maß hinaus Leistungen für den Erblasser erbracht hat. Dann aber kann es nicht darum gehen, bereits geringfügige Unterschiede in den Hilfestellungen der verschiedenen Kinder auszugleichen. Das OLG Frankfurt hat dies deutlich mit seiner Bemerkung zum Ausdruck gebracht, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nicht etwa jede Unterstützungsleistung zu einem Ausgleich berechtige, auch wenn sie über das hinausgehe, was von anderen Erben erbracht worden sei.
Angesichts des genannten Zwecks der Norm muss es sich abe...