Neben die gesetzliche Sozialversicherung tritt im Sozialrecht das Recht der sozialen Entschädigung, das nach § 5 SGB I wie folgt definiert wird:
Zitat
"Wer einen Gesundheitsschaden erleidet, für dessen Folgen die staatliche Gemeinschaft in Abgeltung eines besonderen Opfers oder aus anderen Gründen nach versorgungsrechtlichen Grundsätzen einsteht, hat ein Recht auf ..."
Das Grundlagengesetz des sozialen Entschädigungsrechts ist (noch) das Bundesversorgungsgesetz (BVG). Dort finden sich die Rechtsfolgen nicht nur für anerkannte Kriegsopfer, sondern auch für leistungsberechtigte Opfer von Gewalttaten, im Dienst geschädigte Soldaten, Zivildienstleistende, Impfgeschädigte etc. Das BVG soll bis 2020 umfassend reformiert und als SGB XIII in das Sozialgesetzbuch eingegliedert werden.
Das BVG kennt Leistungen, bei denen eigene Mittel nicht angerechnet werden, aber auch solche, bei denen es zur Anrechnung kommt, z. B. bei der Auslgeichsrente iVm der Ausgleichsrentenverordnung. Das BVG kennt in seinem Leistungskatalog auch eine Art der gehobenen Sozialhilfe, die sogenannte "Kriegsopferfürsorge" (§§ 25 ff BVG). Hier begegnet man dem gängigen System von Regelungen zur Wiederherstellung des Nachrangs einer Leistung, falls der Hilfesuchende eigenes Einkommen/Vermögen einsetzen kann und muss.
Nachfolgend ein Beispiel aus der Kriegsopferfürsorge, das exemplarisch ist, und zwar auch für andere nachrangige Leistungssysteme wie das SGB II und das SGB XII.
Nach § 27 g Abs. 1 S. 1 BVG kann der Träger der Kriegsopferfürsorge in den Fällen, in denen Beschädigte oder Hinterbliebene für die Zeit, für die Leistungen der Kriegsopferfürsorge erbracht wurden, einen Anspruch gegen einen anderen haben, der kein Leistungsträger im Sinne von § 12 SGB I ist, diesen Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergeht.
Es handelt sich um einen Forderungsübergang durch Verwaltungsakt, für den nach § 412 BGB die Vorschriften der Abtretung nach den §§ 399 – 404, 406 – 410 BGB entsprechende Anwendung finden. Um einen solchen Fall ging es in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster.
Der Fall: Die Überleitung in der Kriegsopferfürsorge
Am 17.1.2012 war auf dem Bankkonto der seit dem 6.1.2012 stationär in einem Pflegeheim untergebrachten Mutter ein Geldbetrag mit dem Vermerk "Erbanteil" eingegangen. Seit diesem Zeitpunkt hatte der Sohn diverse Beträge vom Konto der Mutter abgeholt, bzw. an sich überwiesen. Gegenüber dem Träger der Kriegsopferfürsorge erklärte er, die Mutter habe ihm das Geld aus Dankbarkeit für die jahrelange aufwändige Pflege zur Verfügung stellt. Das Geld sei für Autoreparaturen, Miete, Anschaffungen verbraucht worden.
Der Träger der Kriegsopferfürsorge leitete daraufhin einen Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 BGB auf sich über, da er für die Mutter die Kosten der Heimunterbringung trug. Dagegen wendete sich der betroffene Sohn mit der Argumentation, er befinde sich in einer persönlich schlechten gesundheitlichen und sozialen Lage. Er beziehe mittlerweile Hartz-IV (Grundsicherung nach dem SGB II). Außerdem seien die Beträge im Kern für die Mutter verbraucht worden, z. B. für einen neuen Fernseher, ein neues Sofa etc. Seine Mutter hätte die Beträge insbesondere vor dem Hintergrund seiner Lebensumstände niemals zurückgefordert, deshalb müsse der Bescheid aufgehoben werden.
Ein Schenkungsrückforderungsanspruch ist in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung – wie die Erbschaft selbst – je nach Zuflusszeitpunkt – Einkommen oder Vermögen, das der Bedürftige vorrangig zur Deckung von Heimkosten einzusetzen hat.
Das juristische Problem, dass das Verwaltungsgericht Münster zu lösen hatte, bewegt die Rechtsprechung seit Jahren in immer wieder neuen Fallgestaltungen. Aber die Rechtsprechung ist nicht zu erweichen und wiederholt das Mantra des Prinzips der Negativevidenz beim Anspruchsübergang:
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Grundsätzlich gibt es bei Schenkungen für den bedürftigen Schenker einen Schenkungsrückforderungsanspruch gegen den Beschenkten (§§ 528 ff BGB). |
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Der Sozialhilfeträger kann einen solchen Anspruch "an sich ziehen", um die Subsidiarität mangels "bereiter" Mittel vorgeleisteten Sozialleistungen wiederherzustellen. |
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Der Wechsel der Rechtsinhaberschaft wird durch schriftliche Anzeige gegenüber dem Pflichtigen herbeigeführt (Überleitungsanzeige). |
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Mit der Überleitungsanzeige tritt der Sozialleistungsträger "in die Schuhe" des Schenkungsrückforderungsberechtigten. Der Anspruch bleibt inhaltlich unverändert. |
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Die Überprüfung der Überleitungsanzeige erfolgt durch die für sie zuständige Gerichtsbarkeit; (Hier Verwaltungsgerichtsbarkeit). |
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Die Prüfung des übergeleiteten Anspruchs erfolgt in der zuständigen Zivilgerichtsbarkeit. |
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Jede Gerichtsbarkeit prüft wegen des Prinzips des gegliederten Rechtsschutzsystems nur in ihrem Kompetenzbereich. |
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Wegen des Prinzips der selbständigen unabhängigen Gerichtsbarkeiten kommt es be... |