Von großer praktischer Relevanz sind sozialrechtliche Fragen der Hinterbliebenenversorgung. Die Versorgungsehe und die Spätehe sind Dauerbrenner in den Entscheidungen unterschiedlicher Gerichtsbarkeiten. Die Vielfalt der Entscheidungen zeigt einmal mehr, dass soziale Sicherung nicht nur durch die unterschiedlichen Bücher des Sozialgesetzbuches, sondern auch durch beamtenrechtliche und arbeitsrechtliche Normen erfolgt.
Versorgungsehe ist eine Ehe, die zur Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen wurde. Nach § 46 SGB VI haben
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Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, |
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dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. |
Die Rechtsprechung hat zur Versorgungsehenklausel entschieden, dass eine solche Zeitvorgabe ein "legitimes Anliegen des Gesetzgebers ist, um einem Missbrauch der Ehe vorzubeugen und manipulierte Folgen nicht eintreten zu lassen." "Die Regelung verstößt nicht gegen den in Art. 6 Abs. 1 GG garantierten Schutz der Ehe, denn er schützt gerade das Institut der Ehe vor Missbrauch."
Die Anwendung der Klausel ist immer dann hoch streitig, wenn ein Partner lebensgefährlich erkrankt und "kurz vor Toresschluss" geheiratet wird. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt dem Gesundheits- und Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung stets eine besondere Bedeutung für die Entscheidung, ob eine Versorgungsehe vorliegt, zu. Litt der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2 a HS 2 SGB VI nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis, dass dessen ungeachtet – überwiegend oder zumindest gleichwertig – aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde, aber nicht per se ausgeschlossen. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen – inneren und äußeren – Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen ist. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden.
Auch in jüngster Zeit haben sich die Gerichte mit Rechtsfragen, rund um das Widerlegen der Vermutung einer Versorgungsehe, wieder mehrfach auseinanderzusetzen gehabt.
Demgegenüber hat die Arbeitsgerichtsbarkeit entschieden, dass "eine Spätehenklausel, die einem Arbeitnehmer Hinterbliebenenversorgung für seinen Ehegatten nur für den Fall zusagt, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des Arbeitnehmers geschlossen ist, einen Arbeitnehmer unzulässig wegen des Alters benachteiligt."
Sicherlich kann es nicht schaden, wenn ein erbrechtlich Gestaltender, dessen Tätigkeit auf die Sicherung des Überlebenden zielt, auch solche Entscheidungen verfolgt.
Von zunehmender Bedeutung in der Praxis sind in diesem Zusammenhang auch die Rückabwicklungen von Versorgungsausgleichen nach dem Tod eines geschiedenen Ehegatten, wenn der verstorbene Ehegatte die Rente nur kurz oder gar nicht in Anspruch genommen hat. Dies ist nach §§ 37, 38 Versorgungsausgleichsgesetz möglich.
Aktuell hat das Bundesverwaltungsgericht für einen Beamten entschieden, dass keine Rückabwicklung der Versorgungskürzung vor Antragstellung erfolgen kann. Auch wenn der Tod des geschiedenen Ehegatten Jahre zurückliegt, liegt es in der Hand des Überlebenden zu überwachen, ob sich eine solche Möglichkeit bietet:
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§ 4 Abs. 2 VersAusglG sieht einen eigenen Auskunftsanspruch jedes Ehegatten gegen den Versorgungsträger des anderen Ehegatten vor. |
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Die sich mittelbar ergebende Obliegenheit, sich über das weitere Lebensschicksal des geschiedenen Ehegatten zu erkundigen, ist nicht unzumutbar. Zunächst besteht ein legitimes Interesse des Staates, nicht mit rückwirkenden Zahlungsansprüchen konfrontiert zu werden. |
Als Serviceleistung für den Mandanten kann der Hinweis auf eine solche Möglichkeit dem Anwalt sicherlich Bonuspunkte eintragen.