Erbstreitigkeiten sind regelmäßig die Folge vorausgehender familiärer Spannungen. Sie treffen die Beteiligten insofern von ihrem Anlass her nicht unverhofft, wohl aber in ihrer Intensität überraschend und unangenehm. Gleichwohl erscheint es den Beteiligten in der Regel unausweichlich, den Rechtsstreit zu führen, weil die Partizipation am Nachlass für sie auch eine bestimmte Stellung in der Familie oder eine Verantwortungsbeziehung zum Erblasser symbolisiert. Das Erbrecht gilt daher neben dem Familienrecht als eine der emotionalsten Materien im deutschen Zivilrecht. Rechtsanwälte, die regelmäßig als Parteivertreter in Pflichtteilsprozesse involviert sind, können ein Lied davon singen. Die Vertretung in Erbauseinandersetzungsmandaten gilt selbst bei Experten als heikle Angelegenheit. Denn mit dem Umfang des Nachlasses und der Anzahl der Miterben steigt nicht nur die Vielfalt der Rechtsbeziehungen, sondern auch die Komplexität der emotionalen Interessenlage der beteiligten Personen.[18]

Nicht selten ziehen sich gerade Erbauseinandersetzungsmandate daher über viele Jahre hin. Hat der Rechtsstreit anfangs noch hoffnungsfroh begonnen, wendet sich das Blatt bald hin zu einer Hängepartie – zum Leidwesen der Mandanten und letztlich dann auch der anwaltlichen Vertreter. Wenn es überhaupt zu einem wirtschaftlichen Erfolg in der Sache kommt, korrespondiert dieser dann häufig nicht mit einer Befriedung der emotionalen Situation. Das gilt umso mehr, als Gerichtsverfahren häufig in einem Vergleich enden und sich damit die mit einem Prozess typischerweise assoziierten Vorteile – namentlich die vollständige Rechtsdurchsetzung und das Erlangen eines vollstreckbaren Titels – allenfalls teilweise realisieren. Allerdings merken die Betroffenen häufig erst im Laufe der konfrontativen Auseinandersetzung, dass es ihnen eigentlich nicht unbedingt auf eine vollständige Durchsetzung möglicherweise bestehender Rechte geht, sondern vor allem darauf ankommt, sich bei der Verteilung des Nachlasses nicht über den Tisch ziehen zu lassen.

[18] Beisel in Haft/von Schlieffen, Handbuch Mediation, 3. Aufl. 2016, § 32 Rn 5.

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