Dass die Mediation gemeinhin als Verfahren gilt, das die Parteiinteressen besonders effektiv befriedigt, heißt noch nicht unbedingt, dass diese Methode auch speziell in erbrechtlichen Streitigkeiten Erfolg verspricht. Warum lohnt es sich für die Parteien eines Erbstreits, aber auch für ihre Anwälte, eine Mediation im konkreten Fall zu erwägen?
1. Nutzen für die Parteien
Erbstreitigkeiten sind regelmäßig die Folge vorausgehender familiärer Spannungen. Sie treffen die Beteiligten insofern von ihrem Anlass her nicht unverhofft, wohl aber in ihrer Intensität überraschend und unangenehm. Gleichwohl erscheint es den Beteiligten in der Regel unausweichlich, den Rechtsstreit zu führen, weil die Partizipation am Nachlass für sie auch eine bestimmte Stellung in der Familie oder eine Verantwortungsbeziehung zum Erblasser symbolisiert. Das Erbrecht gilt daher neben dem Familienrecht als eine der emotionalsten Materien im deutschen Zivilrecht. Rechtsanwälte, die regelmäßig als Parteivertreter in Pflichtteilsprozesse involviert sind, können ein Lied davon singen. Die Vertretung in Erbauseinandersetzungsmandaten gilt selbst bei Experten als heikle Angelegenheit. Denn mit dem Umfang des Nachlasses und der Anzahl der Miterben steigt nicht nur die Vielfalt der Rechtsbeziehungen, sondern auch die Komplexität der emotionalen Interessenlage der beteiligten Personen.
Nicht selten ziehen sich gerade Erbauseinandersetzungsmandate daher über viele Jahre hin. Hat der Rechtsstreit anfangs noch hoffnungsfroh begonnen, wendet sich das Blatt bald hin zu einer Hängepartie – zum Leidwesen der Mandanten und letztlich dann auch der anwaltlichen Vertreter. Wenn es überhaupt zu einem wirtschaftlichen Erfolg in der Sache kommt, korrespondiert dieser dann häufig nicht mit einer Befriedung der emotionalen Situation. Das gilt umso mehr, als Gerichtsverfahren häufig in einem Vergleich enden und sich damit die mit einem Prozess typischerweise assoziierten Vorteile – namentlich die vollständige Rechtsdurchsetzung und das Erlangen eines vollstreckbaren Titels – allenfalls teilweise realisieren. Allerdings merken die Betroffenen häufig erst im Laufe der konfrontativen Auseinandersetzung, dass es ihnen eigentlich nicht unbedingt auf eine vollständige Durchsetzung möglicherweise bestehender Rechte geht, sondern vor allem darauf ankommt, sich bei der Verteilung des Nachlasses nicht über den Tisch ziehen zu lassen.
2. Anreize für Anwälte
Ein an den Interessen des Mandanten orientierter Anwalt wird versuchen, diese Erkenntnis nicht erst im Laufe der Auseinandersetzung entstehen zu lassen, sondern sie als Erfahrungswert bereits früh in die Beratung mit einzubringen. Dabei sollten, ja müssen Anwälte auch alternative Streitbeilegungsverfahren als Optionen in Erwägung ziehen und mit ihren Mandanten erörtern. Denn sie sind aus dem Mandatsvertrag heraus nicht nur zur Rechtsberatung, sondern auch zu einer ergebnisoffenen Verfahrenswahlberatung verpflichtet.
Dass Anwälte die Mediation im Erbrecht bislang eher zögerlich empfehlen oder überhaupt nur erwägen, ist vor diesem Hintergrund durchaus verwunderlich. Dies gilt umso mehr, als es neben der rechtlichen auch noch eine sehr eigennützige Motivation gibt, die nüchtern rechnende Anwälte eigentlich dazu bringen sollte, sich der Empfehlung eines Mediationsverfahrens nicht ohne Not zu verschließen. Die Begleitung des Mandanten in einem Mediationsverfahren kann nämlich für Anwälte durchaus lukrativ sein. Für die gerichtliche Mediation liegt das auf der Hand, weil sie ein in der Regel vielschichtiges Streitverfahren binnen weniger Stunden zu einem Abschluss führt, der dem Anwalt mit großer Wahrscheinlichkeit neben der Verfahrens- und Terminsgebühr auch eine Einigungsgebühr beschert. Aber auch mit der außergerichtlichen Mediation können Anwälte gutes Geld verdienen. Der mit einer außergerichtlichen Mediation in der Regel verbundene Zeitaufwand von etwa zwei bis drei Tagen wird sich dabei ab einem Streitwert im unteren sechsstelligen Bereich durchaus über den Gebührenansatz nach dem RVG darstellen lassen. Üblicher wäre gleichwohl die Vereinbarung eines zeitabhängigen Honorars, das Mandanten ab einem mittleren fünfstelligen Streitwert vermittelbar ist.
Hinzu kommen nicht-monetäre Vorteile für Anwälte infolge deutlich verbesserter Bewertung des Verfahrensergebnisses: Die Zufriedenheit der Parteien mit einer in einer Mediation selbst erarbeiteten Einigung ist erfahrungsgemäß ungleich größer als die Akzeptanz eines vor Gericht erstrittenen Urteils oder Vergleichs. Auch das sollte Anwälte interessieren: Die beste Akquise für eine Kanzlei besteht schließlich in sowohl wirtschaftlich als auch emotional zufriedenen Mandanten.