Im Kern geht es bei der Kontroverse, wie Wendt zutreffend herausstellt, um die Frage, ob es anstößig iS einer Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB erscheint, wenn für den Lebensunterhalt des Kindes die Allgemeinheit in Anspruch genommen wird, während das im Nachlass vorhandene Vermögen ihm zusätzliche Annehmlichkeiten verschaffen soll. Hierfür bedarf es wie stets bei § 138 Abs. 1 BGB einer Gesamtwürdigung.
Nach der hier vertretenen Ansicht muss diese Gesamtwürdigung auch beim Behindertentestament differenziert ausfallen. Demnach ist es zutreffend, wenn der BGH die testamentarische Übertragung eines bescheidenen Nachlasses auf eine Behindertenorganisation für rechtlich unbedenklich befunden hat.
Hingegen erscheint es regelmäßig als anstößig, wenn ein größeres Vermögen vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers in Sicherheit gebracht werden soll, während dieser gleichzeitig für den Lebensbedarf in Anspruch genommen wird. Hier wird dem Individualnutzen in unangemessener Weise der Vorrang gegenüber dem Gemeinwesen gegeben, auf dessen Leistungen gleichzeitig zugegriffen wird. Überspitzt könnte man sagen, dass es anstößig erscheint, wenn entgegen dem Nachrangprinzip etwa die viel zitierte Krankenschwester mit ihren Steuern Luxusausgaben oder auch eine (nicht verordnungsfähige) Hippotherapie und damit vom sozialrechtlichen Grundbedarf nicht erfasste Aufwendungen mitfinanzieren muss, die sie sich selbst nicht leisten könnte. Ruft man in diesem Kontext den im Nachranggrundsatz zum Ausdruck kommenden Solidaritätsgedanken in Erinnerung, so geht es dabei keineswegs allein um eine "dem Zeitgeist geschuldete Anschauung"; vielmehr handelt es sich um einen prägenden Ausfluss des Sozialstaatsprinzips gem. Art. 20 Abs. 1 GG.
Eine vergleichbare Gesamtwürdigung stellen etwa auch der XII. (Familien-)Senat des BGH zu Unterhaltsverzichten und das OVG Saarland zur Zugriffssperre durch Testamentsvollstreckung an. Dabei gelangen sie jeweils zu deutlich differenzierenden Ergebnissen. Wendt meint freilich, gleichwohl eine die Sittenwidrigkeit verneinende "Generallinie" der Rechtsprechung ausmachen zu können. Soweit es um die jüngere Judikatur des IV. (Erbrechts-)Senats geht, ist dem mit der von Wendt selbst angeführten Einschränkung hinsichtlich der Pflichtteilssanktionsklausel zuzustimmen; diese je nach Blickwinkel strenge oder liberale Rechtsprechung – die verständlicherweise von der Gestaltungspraxis teils geradezu euphorisch gefeiert wird – ist in sich konsistent. Wie bereits die an anderer Stelle durchgeführte Analyse zeigt, gilt dies jedoch keineswegs gleichermaßen für andere Spruchkörper, und auch Wendt führt eine ganze Reihe von ober- und bundesgerichtlichen Entscheidungen an, die einen differenzierenden Ansatz verfolgen; darunter neben der Judikatur des Familiensenats des BGH auch diejenige des OVG Saarland, zu dessen Ausführungen über die niedrig angesetzte Sittenwidrigkeitsgrenze Wendt freilich "kritische Distanz" anmahnt.
Wer für eine umfassende Gesamtwürdigung eintritt, verwirklicht damit das von Wendt zutreffend aufgestellte Postulat, stets beide Seiten im Blick zu behalten. Eine davon zu unterscheidende Frage ist es, welchen der widerstreitenden Interessen, von denen der Gestalter das eine zulasten des anderen verfolgt, im Rahmen dieser Gesamtwürdigung der Vorrang einzuräumen ist. Dabei ist der Gedanke, dass der Erblasser sich nicht von jeder der Varianten – Enterbung oder Erbeinsetzung – einseitig die Vorteile "herauspicken" darf, der Sittenwidrigkeitskontrolle keineswegs fremd; die Gestaltungsfreiheit findet nämlich dort ihre Grenze, wo sie in anstößiger Weise eingesetzt wird, um durch eine geschickte Kombination verschiedener Instrumente – Wendt spricht selbst treffend von "Umwegen" – ein Ergebnis zu erreichen, das den Individualnutzen zulasten der Allgemeinheit maximieren soll. Letztlich setzt hier der Erblasser seine eigene Einschätzung über den angemessenen Bedarf des Kindes an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers, während gleichzeitig die von diesem nur für Bedürftige vorgesehenen Leistungen in Anspruch genommen werden.
Dass dieser Vorwurf "nicht neu" ist, trifft zu, besagt jedoch nichts über seine Stichhaltigkeit. In der Tat haben bereits in den 1990er-Jahren etwa Mayer-Maly aus zivilrechtlicher und Eichenhofer aus sozialrechtlicher Sicht daraus die Sittenwidrigkeit hergeleitet. In jüngster Zeit argumentieren beispielsweise auch Dutta sowie Klingelhöffer in derselben Richtung.