Zuzugeben ist Wendt, dass der Gesetzgeber zwar in mancher Hinsicht, nicht jedoch mit Blick auf die hier angesprochenen Gestaltungen Regelung zur Konkretisierung des sozialrechtlichen Nachranggrundsatzes geschaffen hat. Beispiele bieten § 91 S. 2 sowie § 102 SGB XII. Daher kann man für die Zurückhaltung des BGH geltend machen, dass er der Gewaltenteilung Rechnung trägt. Freilich gilt es sich zugleich zu vergegenwärtigen, dass die Generalklausel des § 138 Abs. 1 BGB gerade den Zweck hat, auch in solchen Fällen der rechtsgeschäftlichen Gestaltung Grenzen zu ziehen, in denen der Gesetzgeber keine konkrete Vorschrift geschaffen hat, sofern nur klar ist, dass das Rechtsgeschäft es bezweckt, das gesetzgeberische Regelungsziel – hier: die Verwirklichung des Nachranggrundsatzes – zu vereiteln.
Man kann nun lange darüber streiten, ob das Schweigen des Gesetzgebers in der Zeit, seit mit dem Behindertentestament die hier interessierenden Gestaltungen aufgekommen sind, "beredt" ist oder nicht. Für die erbrechtliche Praxis ist die geltende Rechtslage im Zivilrecht inzwischen weitgehend – wenn auch keineswegs umfassend – geklärt, auch wenn der Gestalter nicht jede rechtsgeschäftliche Konstruktion gutheißen muss, nur weil sie vor den Gerichten Bestand hat.
Die Diskussion zeigt jedoch, dass eine Klärung der Thematik – die auch Wendt zutreffend als "schwierig" und "äußert kontrovers diskutiert" kennzeichnet – durch den Gesetzgeber dringend geboten erscheint. Dabei gilt es, den Grundsatz der Nachrangigkeit ausdrücklich und konsistent gegenüber solchen erbrechtlichen Gestaltungen abzusichern, die gerade dazu dienen, einen sonst möglichen Zugriff des Sozialhilfeträgers zu vereiteln. Eine solche konkrete Regelung erscheint sub specie der Rechtssicherheit vorzugswürdig gegenüber einer sozialrechtlichen Generalklausel nach dem Vorbild des Gestaltungsmissbrauchs gem. § 42 AO.
Im Schrifttum wird die Rechtsprechung des Erbrechtssenats teils mit der praktischen Erwägung für gut befunden, darin liege eine "indirekte Anerkennung der Leistungen, die Familien mit behinderten Kindern für ihre Kinder und für das Selbstverständnis unserer Gesellschaft erbringen". Gerade auch unter diesem Blickwinkel erscheint es freilich bedenklich, dass die Betroffenen sich zu solcher Anerkennung erst dadurch selbst verhelfen sollen, dass sie die sozialrechtliche Bedarfseinschätzung durch individuelle Rechtskonstruktionen aushebeln, statt dass die Anerkennung auf direktem Wege zum Ausdruck kommt. Will der Gesetzgeber den Schutz behinderter Menschen und derjenigen, die sie immateriell und materiell betreuen, verbessern, so kann und sollte er dies zielgerichtet – etwa durch (weitere) steuerliche Erleichterungen – anordnen. Er sollte aber nicht tatenlos zusehen, wie durch eine geschickte Vertragsgestaltung (im Übrigen: nur!) derjenige, der von solchen "Umwegen" erfährt und sie beschreitet, den Nachranggrundsatz des Sozialrechts faktisch aushebeln kann.