Nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1 iVm 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist der geltend gemachte Pflichtteilsanspruch als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterworfen. Von dem gesetzgeberischen Verweis auf die §§ 2303 ff BGB sind über den Wortlaut ("Pflichtteilsansprüche") hinaus Pflichtteilsergänzungsansprüche umfasst und steuerbar im Sinne des ErbStG. Entscheidend sind in jedem Fall die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs und seine Geltendmachung.
I. Entstehung des Pflichtteilsanspruchs
Wann ein Pflichtteilsanspruch entsteht, richtet sich nach dem Zivilrecht und dort nach den §§ 2303 ff BGB. Voraussetzung ist, dass im Erbfall ein Berechtigter nach § 2303 BGB oder § 10 Abs. 6 LPartG durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist oder nach Ausschlagung nach §§ 1371 Abs. 3, 2306, 2307 BGB nicht Erbe wird. Ergänzende Erwerbe kommen nach den §§ 2305, 2307 Abs. 1 S. 2 BGB in Betracht.
In der Praxis sind echte Pflichtteilsansprüche ausnahmsweise von bloßen Verweisen auf das Pflichtteilsrecht abzugrenzen. Zu denken ist z. B. an Vermächtnisse, die sich bei der Festlegung ihres Wertes des jeweiligen Erwerbs als Maßeinheit der Höhe eines fiktiven Pflichtteils bedienen. Je nach Auslegung einer letztwilligen Verfügung hat solch ein Verweis alleine wertbestimmenden Charakter.
Der Pflichtteilsanspruch im hier gegenständlichen Sinn entsteht dagegen kraft Gesetzes als Forderungsrecht mit dem Erbfall, § 2317 Abs. 1 BGB. Selbst nach einer Ausschlagung entsteht der Anspruch bereits zu diesem Zeitpunkt, spätestens aber mit der Ausschlagung rückwirkend auf den Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Für die Entstehung des Anspruchs ist es nicht erforderlich, dass der Anspruch auch eingefordert wird.
II. Geltendmachung der Pflichtteilsforderung
Nach dem ErbStG kommt es bei Pflichtteilsansprüchen nicht bereits durch ihre Entstehung, sondern erst durch die Geltendmachung zu einem steuerbaren Erwerb. Die Inanspruchnahme beruht nach dem Willen des Gesetzgebers auf der freien Entscheidung des Berechtigten. Erst wenn der sich für eine Geltendmachung entscheidet, soll dies steuerliche Folgen haben. Erst mit der Geltendmachung entsteht die Erbschaftsteuer, § 9 Abs. 1 Nr. 1 b ErbStG. Steuerlich ohne Belang ist dagegen, ob und was tatsächlich geleistet wird.
1. Ernstliches Erfüllungsverlangen
Das Merkmal der Geltendmachung ist in Belangen der Erbschaftsteuer restriktiv auszulegen. Geltendmachung meint jedes ernstliche Verlangen des Berechtigten auf Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs. Der Gläubiger muss seine Entscheidung in geeigneter Weise mitteilen. Die Erklärung ist formfrei. Ein Geltendmachen kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Dabei kann die Initiative auch vom Pflichtteilsschuldner ausgehen.
Richtiger Erklärungsempfänger ist der Erbe selbst. Bei Erbengemeinschaften genügt die Erklärung gegenüber einzelnen Miterben. Doch auch Erklärungen gegenüber sonstigen Beteiligten, wie beispielsweise dem Finanzamt oder einem Testamentsvollstrecker, wollen gut überlegt sein. Diese Dritten sind zwar nicht originär berufene Erklärungsempfänger. Da eine Geltendmachung durch konkludentes Verhalten möglich ist, können im Einzelfall Erklärungen gegenüber diesen (Un-)-Beteiligten aber ebenfalls ausreichende Qualität haben.
Beispiele für eine Geltendmachung sind bezifferte Zahlungsbegehren oder die Forderung nach der Erfüllung durch die ersatzweise Hingabe von Sachwerten. Weiter reicht es aus, wenn das Leistungsverlangen noch nicht beziffert worden ist. Entsprechend sind vor allem Stufenklagen von Anfang an als Geltendmachung zu werten. Selbst die widerspruchslose Entgegennahme einer Leistung auf den Pflichtteil ist ein Geltendmachen.
Anders liegt in einem Verhalten mit bloß vorbereitendem Charakter in aller Regel noch keine Geltendmachung. Dies ist der Fall z. B. bei reinen Auskunftsbegehren nach § 2314 BGB – selbst wenn sie im Wege einer isolierten Auskunftsklage verfolgt werden. Vorsichtshalber sollte der Pflichtteilsberechtigte ausdrücklich klarstellen, dass er sich die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs vorbehält. Zivilrechtlicher Nachteil eines schrittweisen Vorgehens ist allerdings, dass die Forderung mangels Verzugseintritt keinesfalls verzinst wird.