Nach dem ErbStG kommt es bei Pflichtteilsansprüchen nicht bereits durch ihre Entstehung, sondern erst durch die Geltendmachung zu einem steuerbaren Erwerb. Die Inanspruchnahme beruht nach dem Willen des Gesetzgebers auf der freien Entscheidung des Berechtigten. Erst wenn der sich für eine Geltendmachung entscheidet, soll dies steuerliche Folgen haben. Erst mit der Geltendmachung entsteht die Erbschaftsteuer, § 9 Abs. 1 Nr. 1 b ErbStG. Steuerlich ohne Belang ist dagegen, ob und was tatsächlich geleistet wird.
1. Ernstliches Erfüllungsverlangen
Das Merkmal der Geltendmachung ist in Belangen der Erbschaftsteuer restriktiv auszulegen. Geltendmachung meint jedes ernstliche Verlangen des Berechtigten auf Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs. Der Gläubiger muss seine Entscheidung in geeigneter Weise mitteilen. Die Erklärung ist formfrei. Ein Geltendmachen kann auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Dabei kann die Initiative auch vom Pflichtteilsschuldner ausgehen.
Richtiger Erklärungsempfänger ist der Erbe selbst. Bei Erbengemeinschaften genügt die Erklärung gegenüber einzelnen Miterben. Doch auch Erklärungen gegenüber sonstigen Beteiligten, wie beispielsweise dem Finanzamt oder einem Testamentsvollstrecker, wollen gut überlegt sein. Diese Dritten sind zwar nicht originär berufene Erklärungsempfänger. Da eine Geltendmachung durch konkludentes Verhalten möglich ist, können im Einzelfall Erklärungen gegenüber diesen (Un-)-Beteiligten aber ebenfalls ausreichende Qualität haben.
Beispiele für eine Geltendmachung sind bezifferte Zahlungsbegehren oder die Forderung nach der Erfüllung durch die ersatzweise Hingabe von Sachwerten. Weiter reicht es aus, wenn das Leistungsverlangen noch nicht beziffert worden ist. Entsprechend sind vor allem Stufenklagen von Anfang an als Geltendmachung zu werten. Selbst die widerspruchslose Entgegennahme einer Leistung auf den Pflichtteil ist ein Geltendmachen.
Anders liegt in einem Verhalten mit bloß vorbereitendem Charakter in aller Regel noch keine Geltendmachung. Dies ist der Fall z. B. bei reinen Auskunftsbegehren nach § 2314 BGB – selbst wenn sie im Wege einer isolierten Auskunftsklage verfolgt werden. Vorsichtshalber sollte der Pflichtteilsberechtigte ausdrücklich klarstellen, dass er sich die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs vorbehält. Zivilrechtlicher Nachteil eines schrittweisen Vorgehens ist allerdings, dass die Forderung mangels Verzugseintritt keinesfalls verzinst wird.
2. Verzögerte Geltendmachung und Verjährung
Auch ist die Stundung der Pflichtteilsforderung durch den Berechtigten als ein Geltendmachen im vorstehenden Sinne zu werten. Die Stundung betrifft eben allein die Fälligkeit der Leistung. Daher gilt der gestundete Pflichtteil grundsätzlich mit dem Zustandekommen der Stundungsabrede als geltend gemacht.
In engen Grenzen sind jedoch Abreden möglich, bei denen die Stundung vorläufig keinem steuerbaren Erwerb gleichsteht. Die Steuer entsteht erst mit dem hinausgeschobenen Leistungszeitpunkt, wenn das Fristende zeitlich vorläufig ungewiss geblieben ist. Eine Unbestimmtheit in diesem Sinne ist z. B. bei einem Abstellen auf das Nachversterben des Pflichtteilsschuldners ("… gestundet bis zum Tode von …") anzunehmen. Die Abrede sollte stets ausreichend dokumentiert werden, um eine Anerkennung durch die Finanzverwaltung abzusichern.
In diesen Fällen ist weiter zu unterscheiden, ob die Forderung zinsfrei oder verzinslich gestundet wird. Der Verzicht auf Zinsen stellt für sich keine freigebige Zuwendung dar, wenn die Stundungsabrede vor der Geltendmachung des Pflichtteils getroffen wird. Später liegt in einem Verzicht auf marktübliche Zinsen in aller Regel eine freigebige Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.
Abzugrenzen von Stundungsabreden ist die vom Berechtigten einseitig hinausgezögerte Geltendmachung der Pflichtteilsforderung. Dies kann sinnvoll sein, um eine Zusammenrechnung mit Vorerwerben nach § 14 ErbStG zu vermeiden und zusätzliche Freibeträge nach §§ 16 f ErbStG zu ermöglichen. Um keinen Totalverlust zu riskieren, muss stets die dreijährige Verjährungsfrist der Pflichtteilsansprüche im Auge behalten werden.
Jüngst hat der Bundesfinanzhof überdies klargestellt, dass Pflichtteilsansprüche sogar geltend gemacht w...