Das sozialhilferechtliche Rechtsverhältnis ("Sozialhilfe") wird allgemein in § 9 SGB I beschrieben. Von dem Begriff "Sozialhilfe" in diesem Sinne sind sowohl das SGB XII als auch die Grundsicherung im Sinne des SGB II umfasst. Deshalb wird hier einheitlich für SGB II (Grundsicherung) und SGB XII (Grundsicherung/Sozialhilfe) von Sozialhilfe gesprochen.
Der nicht selbst Sozialhilfe beziehende Erblasser kommt in diesem Sozialhilferechtsverhältnis ausdrücklich nicht vor. Das entspricht dem Verständnis des Sozialrechtsverhältnisses im positiven Sinne, das den Inbegriff der zwischen dem Leistungsberechtigten (§§ 3-10 SGB I) und dem Leistungsträger (§§ 12, 18–29 SGB I) bestehenden Rechtsbeziehungen bezeichnet.
Das alles bestimmende Prinzip im Sozialhilferecht (§ 9 SGB I) ist das Subsidiaritätsprinzip. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums wird erst aktiviert, wenn andere Mittel zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins nicht vorhanden sind. Es beherrscht die Voraussetzungen für das Entstehen und den Bestand des Leistungsanspruchs des "Sozialhilfebeziehers". Dieser Grundsatz wird flankiert vom Gegenwärtigkeits- und vom Faktizitätsprinzip. Nur tatsächlich "bereite" Mittel sind geeignet, den Leistungsanspruch zu hindern. Auf die Herkunft der Mittel zur Bedarfsdeckung oder auf eine Zweckbestimmung kommt es grundsätzlich nicht an, es sei denn, es wären Ausnahmen angeordnet.
Das "Bedürftigmachen" in der Absicht, die Voraussetzungen für den Bezug der Sozialhilfe herbeizuführen, wird im sozialhilferechtlichen Rechtsverhältnis ausdrücklich nicht mit § 138 BGB beantwortet. Dafür hat das Sozialhilferecht eigene Leistungsstörungsregeln ("negatives" Sozialrechtsverhältnis), bestehend aus
Dieses sozialhilferechtliche Störfallinstrumentarium hat bei Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips vor § 138 BGB Vorrang. Mustergültig hat das BSG den Prüfungsmodus bei Gestaltungen oder Handlungen, mit denen die Leistungsfähigkeit des Sozialhilfesuchenden beseitigt wird, in der Bestattungsvorsorgevertragsentscheidung dargelegt. Mit der Rechtsprechung des BVerfG hat das BSG auch in seinen jüngsten Entscheidungen betont, dass existenzsichernde und bedarfsabhängige Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch bestehe, regelmäßig unabhängig von der Ursache der entstandenen Notlage und einem vorwerfbaren Verhalten in der Vergangenheit zu leisten seien. Selbst eine verschwendete Erbschaft hindert das Entstehen eines Leistungsanspruches nicht. Somit sind die Lösungen im Störfallinstrumentarium des Sozialhilferechts zu suchen.
Die §§ 103 SGB XII, § 34 SGB II beziehen auch Dritte, die zur Schaffung der Voraussetzungen der Sozialhilfebedürftigkeit beitragen, in die Kostenersatzpflicht ein. Den Erblasser trifft eine solche Kostenersatzpflicht aber nicht, denn er handelt nicht sozialwidrig im Sinne der "deliktsähnlichen Ausnahmetatbestände". Der Erblasser schuldet der Allgemeinheit nichts, sondern bedient sich der zulässigen erbrechtlichen Gestaltungsinstrumente. Er schuldet dem Abkömmling oder Ehegatten nur das, was das Erbrecht zwingend vorsieht. Es gibt keine zivilrechtliche postmortale Unterhaltspflicht, hinter der die Sozialhilfe zurücktreten könnte. Dieses Ergebnis wird – eher emotional als sozialhilferechtlich – von der Praxis vielfach zwar als nicht tolerabel angesehen, entspricht aber den sozialhilferechtlichen Strukturprinzipien. Es ist daher auch sozialhilferechtlich unzweifelhaft richtig, dass alles, was das Erbrecht mit Blick auf die Nachlassbegehrlichkeit anderer zulässt, auch grundsätzlich gegenüber den Sozialhilfeleistungsträgern gelten muss, solange sozialrechtliche Regelungen dies nicht zwingend untersagen oder verhindern. Ob Behinderten- oder Bedürftigentestamente ihre Zielsetzung erreichen können, bleibt nach wie vor eine davon zu unterscheidende Frage, die nach diesseitiger Sicht nicht mit vergleichbarer Klarheit beantwortet werden kann. Und ob alle Erben, die von ihrer ureigenen erbrechtlichen Gestaltungsmacht und -fülle Gebrauch machen, davon ausgehen dürfen, nicht mit sozialhilferechtlichen Kostenersatzregelungen konfrontiert zu werden, ist auch noch nicht entschieden.