Die Entscheidung des LSG Hessen zeigt erstmalig auf, welche Grenzen das sozialhilferechtliche Leistungsverhältnis der erbrechtlichen Gestaltung zieht. Aufwendungsersatzansprüche des Sozialleistungsträgers wurden bejaht, nachdem der Testamentsvollstrecker erbrechtliche Mittel auf Anforderung des Betreuers der Sozialhilfebezieherin an diese freigegeben hatte. Damit stellt sich das LSG Hessen gegen eine Entscheidung des LSG Hamburg, das dem Instrumentarium des Behindertentestaments per se auch im sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnis die Qualität zuerkennt, den Einsatz der Erbmittel in der Sozialhilfe zu verhindern.
Beide Gerichte setzen sich dabei fälschlicherweise nicht damit auseinander, welche sozialhilferechtliche Qualität die Erbmittel haben und erwähnen nicht, warum sie von der diesbezüglichen Rechtsprechung des BSG abweichen. Die Entscheidungen zeigen aber, dass nach fast einem Vierteljahrhundert zivilgerichtlicher Diskussion um das Behindertentestament nunmehr die Zeit begonnen hat, in der diese Testamente in der Sozialgerichtsbarkeit auf den Prüfstand gestellt werden.
Der Zufluss von Erbmitteln im sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnis ist für alle Beteiligten ein "Störfall", denn er tangiert das Bestehen des Leistungsanspruchs. Der objektive Mangel an eigenen oder fremden Mitteln – in der Form von Einkommen und Vermögen – ist negatives Tatbestandsmerkmal des finalen Anspruchstatbestandes. Wer ausreichendes Einkommen oder Vermögen hat, ist nicht bedürftig. Und wer Leistungen Dritter erhält, ist ebenso wenig bedürftig bzw. hat nach SGB XII ggf. einen abweichenden Regelbedarf. Fließen entsprechende Mittel während des Leistungsbezuges zu, sind die leistungsgewährenden Verwaltungsakte nach §§ 45, 48 SGB X ( im SGB II nach § 40 SGB II iVm §§ 330,331 SGB III) aufzuheben. In anderen Fällen – so auch im Fall des LSG Hessen – ist der Grundsatz der Subsidiarität durch Aufwendungsersatzansprüche wiederherzustellen. Eine erbrechtliche Gestaltung zugunsten eines Sozialhilfebeziehers kann diesem daher nur dann zugute kommen, wenn die ihm zufließenden Mittel sozialhilferechtlich nicht als Einkommen oder Vermögen angerechnet werden oder einzusetzen sind. Dafür gibt es im SGB XII und im SGB II je nach beanspruchter Leistung und je nachdem, ob es sich um Einkommen oder Vermögen handelt, voneinander abweichende Regeln:
Es ist für jede Leistung gesondert zu prüfen, ob ein Zufluss Einkommen oder Vermögen ist und ob er den Sozialhilfeanspruch hindert oder entfallen lässt.
Bis in die jüngste Vergangenheit wurde in der Sozialgerichtsbarkeit heftig darüber gestritten, ob "eine Erbschaft Einkommen oder Vermögen ist" und das Tatbestandsmerkmal der Hilfebedürftigkeit im jeweiligen Sozialleistungstatbestand vernichtet. Z. T. wurde differenziert: Ein ererbtes Grundvermögen sollte danach Vermögen darstellen, während ererbte Barmittel Einkommen darstellen sollten, das als einmalige Einnahme auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Betrag anzusetzen sei. Die Kommentarliteratur stand und steht z. T. noch der Zuordnung einer Erbschaft zum Einkommen uneins gegenüber. Die sozialhilfenahe Literatur hat die Auffassung, dass Erbschaften Einkommen seien, adaptiert. Andere qualifizieren "Erbschaften" eindeutig als Vermögen und bezeichnen alles andere als Etikettenschwindel und "geradezu juristische Perversion". Damit finden sie im Gesetz mittelbar eine Stütze, denn sozialhilferechtlich fallen z. B. "Familien- und Erbstücke" nach § 90 Abs. 2 Nr. 6 SGB XII eindeutig in der Kategorie des Vermögens und nicht des Einkommens.
Das Bundessozialgericht hat für das SGB XII noch keine abschließende Entscheidung getroffen. Im SGB II bestimmt es die sozialhilferechtlich Qualität einer "Erbschaft" nach der allgemein geltenden Zuflussrechtsprechung. Grundsätzlich wird Einkommen im SGB XII und II definiert als alle "eingehenden Einnahmen, Zahlungen, Zuflüsse, Zuwendungen oder andere Leistungen in Geld oder Geldes Wert ohne Rücksicht auf ihre Herkunft, Rechtsnatur und Steuerpflichtigkeit, die der Leistungsberechtigte gerade/erst im Bedarfszeitraum erhält." Vermögen ist demgegenüber jeder Vermögenswert in Geld oder Geldes Wert, den er schon zu Beginn des ersten Bedarfszeitraums hat. Wann Mittel zufließen, wird nach dem tatsächlichen Zufluss bestimmt, es sei denn, das Gesetz würde etwas anderes bestimmen (normativer Zufluss).
In der Erbfall-Entscheidung des BSG vom 25.1.2012 zu einem Fall aus dem SGB II heißt es: "Ein solcher rechtlich maßgeblicher anderer Zufluss ergibt sich bei einem Erbfall aus § 1922 Abs. 1 BGB, nach dem mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge). Bereits ab diesem Zeitpunkt kann ein Erbe aufgrund seiner durch den Erbfall erlangten rechtlichen P...