Zivilrechtler werden an dieser Stelle vielleicht einwenden, dass es doch generell völlig egal sei, ob die Mittel aus dem Nachlass sozialhilferechtlich Einkommen oder Vermögen seien, denn schließlich bestehe ja zivilrechtlich eine dreifache Zugriffssperre durch (nicht befreite) Vorerbschaft mit Erbeinsetzung oberhalb des Pflichtteilsanspruchs, Dauertestamentsvollstreckung und Verwaltungsanordnungen des Erblassers. Daran könne der Sozialhilfeträger doch nicht rütteln. So hat es auch das LSG Hamburg beurteilt. Das greift aber zu kurz und ist zivilrechtlich gedacht.
Richtig ist, dass der Sozialhilfeträger an der "Zwangsfürsorge" für den Nachlass durch die angeordnete Vorerbschaft nach geltender Rechtslage nicht vorbeikommt. Die Substanz ist für den Vorerben unangreifbar. Richtig ist auch, dass die dem Erben zustehenden Nutzungen durch die Dauertestamentsvollstreckung der Verfügungsbefugnis des Erben entzogen sind und § 2217 BGB nicht für die Früchte der Vorerbschaft gilt. Der Testamentsvollstrecker hat die Früchte nach Maßgabe des § 2216 Abs. 2 BGB nach den Regeln der ordnungsgemäßen Verwaltung zu verwalten und ggf. an den Erben herauszugeben. Dazu soll allgemein die Herausgabe des angemessenen Unterhalts des Erben gehören. Auf jeden Fall aber wird die ordnungsgemäße Verwaltung nach den vom Erblasser dazu getroffenen Verwaltungsanordnungen bestimmt. Und genau da liegt das Problem, das durch die Entscheidung des LSG Hessen offenbar wird. Die Verwaltungsanordnung des Erblassers, dass nur sozialhilfeunschädlich zugewendet werden darf, und die Regeln des sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnisses stehen sich diametral gegenüber und können den Testamentsvollstrecker in die Lage bringen, die ihm zugedachte Aufgabe nicht erfüllen zu können. In dem Moment nämlich, in dem der Testamentsvollstrecker dem Sozialhilfebedürftigen Mittel aus der Erbmasse getreu seinem Auftrag zur Verbesserung seiner Lebenssituation endgültig – und nicht nur zur Nutzung – zuwendet, liegt darin die Erklärung des Verzichts des Testamentsvollstreckers auf sein Verwaltungs- und Verfügungsrecht. Das Zugriffsverbot für Dritte endet. Der Schutzmechanismus der testamentarischen Regelung wird wirkungslos. Mit der Freigabe realisiert sich für den Sozialhilfebezieher sozialhilferechtlich der Schritt vom Einkommen zum "bereiten" Einkommen, das leistungsschädlich und damit ein Verstoß gegen die Verwaltungsanordnungen des Erblassers sein kann.
Wenn ein zu Hause lebender Erbe, der dauerhaft auf Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe zur Pflege angewiesen ist, einen Nachlass als nicht befreiter Vorerbe erbt, der ihm 5.000,– EUR an Erträgen erbringt, dann sind Nachlass und Erträge sozialhilferechtlich Einkommen. Die Substanz ist unangreifbar. Werden 5.000,– EUR Erträge freigegeben, dann sind sie Einkommen, das zur Bedarfsdeckung geeignet ist. Es gilt § 82 SGB XII und die Verordnung zu § 82 SGB XII. Im SGB II würden die §§ 11 ff iVm der AlG II–VO gelten. Die laufende Leistungsbewilligung wäre nach § 48 SGB XII (im SGB II nach § 40 II Nr. 3 iVm §§ 330 II Nr. 3 SGB III) wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder anzupassen.
Das liegt daran, dass es auf die Herkunft von Einkommen und Vermögen im Sozialhilferecht grundsätzlich nicht ankommt. Nur für Einkommen mit öffentlich-rechtlicher Zweckbestimmung besteht nach § 83 SGB XII, § 11 a Abs. III SGB II eine Ausnahme. Zweckbestimmungen von Erblassern oder sonstigen Dritten sind im Sozialhilferecht für Einkommenszuflüsse gesetzlich nicht berücksichtigt. Lediglich als Vermögen hat die frühere Rechtsprechung eine solche Zweckbindung unter dem Gesichtspunkt der Härte (§ 90 Abs. 3 SGB XII, § 12 SGB II) diskutiert. Aber selbst dort war der Handlungsspielraum schmal. Schon das BVerwG hat ausgeführt, dass sich nicht in einer verallgemeinerungsfähigen Weise sagen lasse, dass ein Gegenstand, weil er einem Bedürftigen geschenkt worden sei, unter dem Gesichtspunkt der Härte von einem Vermögenseinsatz auszunehmen sei. Gibt der Testamentsvollstrecker Nachlasswerte frei, erfolgt die ganz normale Einkommens- und Vermögensprüfung wie für alle Erben. Der Testamentsvollstrecker kann somit nicht allgemein sozialhilfeunschädlich Zuwendungen tätigen, sondern nur im Rahmen der gesetzlichen Regeln über den Einsatz von Einkommen und Vermögen bei Bezug von Sozialhilfe. Entscheidet sich der Testamentsvollstrecker aus diesem Grund, keine Erbmittel freizugeben, unterliegen diese nach dem Tod des Vorerben der sozialhilferechtlichen Erbenhaftung der §§ 102 SGB XII, 35 SGB II. Und auch das verstößt gegen den Willen des Erblassers. Der Testamentsvollstrecker ist also in permanenter Gefahr, so oder so gegen die Verwaltungsanordnungen des Erblassers zu verstoßen.
Die Erfüllung seiner Amtspflichten scheint insbesondere im Falle einer Heimunterbringung teilweise oder sogar ganz unmöglich. Wird aber der Spielraum eng und der Testamentsvollstrecker kann und darf dem Begünstigten wege...