Die Entscheidung des LSG Hamburg widerspricht diesem Ergebnis. Sie geht den Weg mit, dass jedenfalls ab dem Moment der Freigabe durch den Testamentsvollstrecker, wenn nicht aus anderen Gründen eine Schonung des Einkommens in Betracht kommt, die allgemeinen Einkommens- und Vermögensanrechnungsregeln gelten. Das LSG Hessen bleibt auf halber Strecke stehen, wenn es eine Art zulässige Zweckbestimmung durch den Testamentsvollstrecker wohl grundsätzlich für möglich hat (Theorie des "verlängerten Arms"), den Aufwendungsersatzanspruch aber nur deshalb zuerkannt hat, weil eine solche verlängerte Zugriffssperre im konkreten Fall nicht angeordnet war. Eine solche Möglichkeit kennt das Sozialhilferecht nicht. Die einzig denkbaren Varianten, mit denen gesichert sozialhilfeunschädliche Zuwendung gemacht werden können, bestehen darin, dass
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der Testamentsvollstrecker Erbmittel nur zur Nutzung, nicht aber zu unbelastetem Eigentum und zum "Verzehr" gibt |
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die herausgegebenen Erbmittel aufgrund von Ausschluss- oder Schonregeln (" Einkommensschonrepertoire") im sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnis keine Berücksichtigung finden |
Dem Testamentsvollstrecker steht kein für alle Sozialhilfefälle gleichermaßen geltendes und beliebiges Einkommensschonrepertoire, aus dem er sich bedienen könnte, zur Verfügung. Inwieweit ein Sozialhilfebezieher eigenes Einkommen so wie Einkommen der Mitglieder seiner Einsatz- oder Bedarfsgemeinschaft ganz oder nur teilweise vorrangig einbringen muss, hängt von den jeweils bezogenen Hilfen – je nach Zuordnung im SGB XII und im SGB II – ab. Jeder Einzelfall ist daher individuell zu prüfen.
5.1 Die Freistellung von Einkommen und Vermögen Contergangeschädigter
Eine gesetzlich geregelte Ausnahme der Einkommensanrechnung betrifft Menschen, die durch das Arzneimittel Contergan geschädigt wurden. Nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen vom 1.8.2013 sind bei der Gewährung von
dem Betroffenen und seinem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel aus ihrem Einkommen nach § 19 Abs. 3, § 87 Absatz 1 SGB XII nicht zuzumuten. Der Einsatz ihres Vermögens und ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners nach § 19 Abs. 3, § 90 Abs. 3 S. 1 SGB XII stellt eine Härte dar. Lediglich für die sozialrechtliche Erbenhaftung des Nachlasses des Behinderten gibt es keinen Schutz. Damit können die leistungsberechtigte Person und ihr nicht getrennt lebender Ehegatte oder Lebenspartner erben, ohne die Erbschaftsmittel in der Sozialhilfe – beispielsweise für die Kosten der Hilfe zur Pflege – einsetzen zu müssen. Eines Behindertentestaments mit Testamentsvollstreckung bedarf es für diese Personengruppe dann aber auch gar nicht.
5.2 Die Einkommensschontatbestände des SGB XII
Die Suche nach Einkommensschontatbeständen hängt im SGB XII von der Art der bezogenen Leistungen ab. Hierzu ein
Die schwerstpflegebedürftige Sozialhilfeempfängerin (Pflegestufe III) erhält
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Leistungen auf Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII |
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Hilfe zur Pflege nach dem 5. Kapitel des SGB XII |
Aus dem auf sie entfallenden Nachlass werden Kapitalerträge in Höhe von 6.000 EUR jährlich erzielt.
Wenn sie durch Freigabe des Testamentsvollstreckers diesen Geldbetrag erhält, dann verfügt sie nach der Zuflussrechtsprechung des BSG über entsprechendes eigenes Einkommen. Es gelten § 82 SGB XII, §§ 6, 10 VO zur Durchführung des § 82 SGB XII iVm § 20 EStG.
§ 82 SGB XII ist Grundlagennorm und definiert den Begriff des Einkommens. Einkommen im Sinne von § 82 SGB XII ist der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den einzelnen Einkunftsarten. Der Begriff des Einkommens wird durch die Verordnung zur Durchführung des § 82 des SGB XII ausgefüllt. § 82 SGB XII bestimmt ferner die Abzugsposten und -beträge. Die Rechtsgrundlagen für die Berechnung und die Verwertbarkeit von Einkommen werden in §§ 82–89 SGB XII, der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII und den Sonderbestimmungen der §§ 92, 92 a SGB XII geregelt.
§ 19 SGB XII gibt den Weg vor, wie der Einsatz von Einkommen (und Vermögen) zu prüfen ist. Erhält der Bedürftige Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff SGB XII), dann gilt § 19 Abs. 2 SGB XII und § 43 Abs. 1 SGB XII, der Einkommen (und Vermögen) des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer eheähnlichen oder lebenspartnerschaftlichen Gemeinschaft einbezieht.
Benöti...