Mit der Rechtsprechung des BGH zur Zulässigkeit eines Pflichtteilsverzichtes durch eine behinderte Sozialhilfebezieherin (SGB XII) sind die Würfel zu Gunsten von Sozialhilfebeziehern erbrechtlich gefallen. Im sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnis beginnt die Diskussion erst. Auf der Grundlage der zivilgerichtlich anerkannten Zulässigkeit von Behindertentestamenten beleuchtet der Aufsatz die Frage nach den Auswirkungen der Freigabe erbrechtlicher Mittel durch den Testamentsvollstrecker im sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnis. Als "Sozialhilfe" wird dabei – im Sinne § 9 SGB I – nachfolgend sowohl die Grundsicherung/Sozialhilfe nach SGB XII als auch die Grundsicherung nach SGB II ("Hartz-IV") verstanden.
Der Sozialhilfeempfänger als Erbe ist eine sozialrechtlich bisher nicht abschließend entdeckte und untersuchte Spezies. Unter einer
hatte der Sozialhilfebezieher als Erbe bis weit in die 1970er- Jahre überhaupt keinen Lebensraum. Erst auf dem Nährboden einer Sozialhilfe, die den Anspruch an das Leben "weder von Kalorien noch von unentbehrlich-primitiven Wohnungseinrichtungen" her absteckte, sondern als Leistung eines Sozialstaates für jeden bedürftigen Bürger sieht, erwachte der Sozialhilfeempfänger als Erbe zum Leben.
Erbrechtlich hat man ihn bereits seit Längerem gesichtet und identifiziert. Zusammen mit seinem zivilrechtlichen Geburtshelfer – dem erbrechtlich versierten Erblasser – trifft man ihn auf der "Testamentsallee". Er promeniert auf der "Verzichtsavenue" und flaniert auf dem "Ausschlagungsboulevard". Und er hat Aussicht auf "Erweiterung dieses Straßennetzes um weitere Prachtstraßen", denn die Rechtsprechung des BGH zur sog. "Pflichtteilssanktionsklauselgasse" soll bei passender Gelegenheit noch einmal auf den Prüfstand gestellt werden. Erblasserwille und der Grundsatz einer von Dritten nicht zu beeinflussenden Erbfolge sollen dem Sozialhilfeträger die Berechtigung nehmen, selbst den Pflichtteil im Wege der Anspruchsüberleitung geltend machen zu können.
Sozialhilferechtlich ist noch nicht sicher abgeklärt, was eine mittels Behinderten- oder Bedürftigentestaments ausgestaltete Erbfolge für das sozialhilferechtliche Leistungsverhältnis bewirkt. Kann ein solches Testament aus sozialrechtlicher Sicht seinen Zweck sicher erreichen? Oder endet es für den Sozialhilfebezieher sozialhilferechtlich ganz oder teilweise in der Sackgasse? Anlass zu diesen Fragen gibt die Entscheidung des LSG Hessen vom 26.6.2013, die bereits Einfluss auf die zivilgerichtliche Rechtsprechung nimmt. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass der Testamentsvollstrecker Beträge aus einer Erbschaft, die mittels eines Behindertentestaments ausgestaltet war, an den Betreuer der Sozialhilfebezieherin freigegeben hatte und damit den Anspruch auf Sozialhilfe gegen den ausdrücklichen Erblasserwillen zumindest für eine gewisse Zeit zu Fall gebracht hatte. Die Besonderheit des Falles bestand darin, dass der Sozialhilfeträger die Sozialhilfeleistungen zwar erbracht, aber einen Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht hatte. Diesen hat das LSG Hessen bestätigt.